Das sagt Jesus im Lukasevangelium im Kapitel 9 zu einem jungen Mann und fordert ihn auf zu evangelisieren. Dieser Satz aus der Überschrift verfolgt mich schon eine Zeit lang. Es ist nicht einmal die kaum nachvollziehbare Kritik am Verhalten des trauernden Sohnes, als vielmehr die fehlende Empathie Jesu, die uns so stutzig macht. Wäre dieser Mann dem Ratschlag gefolgt, wäre uns und Jesus der Apostel Judas vielleicht erspart geblieben. Also was soll denn das? Und warum sagt der „liebe Jesus“ über Trauernde, sie wären tot? Ist das überhaupt der Jesus, den wir kennen oder ist das nur eine Folge einer späten Redaktion des Textes im zweiten oder dritten Jahrhundert unseres Zeitalters?
Diese Aufforderung ergibt Sinn. Die Psychologen sprechen seit Langem davon, dass man depressiv wird, wenn man Dinge nicht sterben lassen kann. Eine Trennung von der Vergangenheit kann durchaus befreiend wirken, obwohl sie schmerzhaft ist. Aber in diesem Kontext wird es weniger darum gehen, Psychotherapie zu betreiben. Die knallharte Aufforderung, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und eine neue Realität des Reiches Gottes zu leben, ist nicht wegzudeuten.
Vielleicht ist es ein Zufall – oder es ist sogar die pure Absicht Gottes – wenn diese extrem kurze Episode des Evangeliums zum Sinnbild der Veränderung in der deutschen Kirche wird. Eine demografisch, gesellschaftlich wie auch geistig gealterte Kirche in Deutschland ist unfähig, sich im Sinne einer spirituellen Erneuerung zu reformieren. Die noch lebenden Alten trauern einem Kirchenbild hinterher, welches vor 40 Jahren den Schein einer funktionierenden religiösen Gesellschaft hatte. Beschäftigt mit ihrer eigenen Trauer hören sie den Ruf Gottes gar nicht, der sie auf eine Reise mit ihm und für ihn senden will. Das süße Gift der Melancholie, die der Feind in die Herzen der Menschen sät, hat viele taub gemacht. Der zweite Teilsatz der Rede Jesu bleibt unerhört. Und wenn er gehört wird, wird er mit noch mehr Verwunderung und Ratlosigkeit wahrgenommen.
Es hat sich eingebürgert, Gott, den Glauben und die Spiritualität durch die Scheiben der „Organisation Kirche“ zu betrachten. Der an den Fenstern klebende Dreck wird mit dem Brennglas der Medien vergrößert und mit jedem Detail exakt beschrieben und öffentlich dargestellt. Es geht nicht mehr darum, was dahinter ist. Das Auge des Betrachters bleibt auf die Flecken fokusiert. Mit diesem verkürzten Blick ist es unmöglich, das Ziel des Schauens zu erreichen. Würde man die Scheiben wieder sauber bekommen aber mit dem prüfenden Blick auf die Scheibe gerichtet bleiben, hätte man doch nichts gewonnen. Irgend eine Unreinheit findet man immer. Die vielen Lokalpatrioten, die ihre Kirche im Dorf haben wollen, achten erst gar nicht darauf, was das Ziel wäre. Die Kirche ist für Sie ein Aushängeschild des Ortes, eine Art Marketingmaßnahme für die Gewinnung neue Einwohner, wie es der Bäcker, der Metzger, der Arzt oder der Apotheker auch sind.
Eine andere Gruppe bilden die lokalen Traditionalisten, die teils seltsame Bräuche zur Tradition der Kirche erklären aber eigentlich nur ihre lokale Identität zu wahren versuchen. Ängstlich trauen sie sich kaum, den Schutz der Kirchenmauern zu verlassen um das Evangelium zu verkünden. Wer zu Ihnen kommt, wird herzlich aufgenommen und darf ein Teil der Clique bleiben. Auch hier wird die Scheibe zum Selbstzweck stilisiert, indem man sie bunt bemalt. Ein gewisser Lokalkolorit ist an sich nichts Schlimmes und jedes Kontinent, ja sogar manchmal ein Land oder Region hat so ihre eigene Art, zu beten, zu feiern und katholisch zu leben. Manchmal ist die Diversität der Spiritualitäten, Bewegungen, Gemeinschaften und Gruppen innerhalb einer Pfarrei das beste Heilmittel gegen diese Art des – sagen wir es offen – Egoismus. Die versöhnte Verschiedenheit ist nicht bloß ein moderner Schlachtruf der Ökumene, sondern auch ein guter und gesunder Weg des Zusammenlebens in einer Pfarrei. Vielleicht ist es sogar der einzige empirische Beweis für die Wirksamkeit des Heiligen Geistes in einer solchen.
Heutzutage schon sehr selten aber hier und da immer noch anzutreffen ist die Pfarrei der Elite. Eine Gruppe von Menschen bildet eine sehr enge Gemeinschaft, um alle Privilegien an sich zu ziehen. Sie verteidigt „ihre Pfarrei“ bis auf den letzten Blutstropfen. „Ihre Pfarrei“ ist jedoch keine lebende Zelle der Organismus „Kirche“, sondern die erreichten Schätze der vielen Jahre ihrer Diktatur. Eine Offenheit für den Ruf Gottes ist dort nicht zu erwarten. Sie gleicht eher dem Klerikalismus als der Brüderlichkeit aller Getauften. Möglicherweise gibt es dort auch einen Zusammenhang: Angebote können nur dort angenommen werden, wo es auch Nachfrage gibt. Der Klerikalismus der Pfarrer (und mittlerweile auch der Laienmitarbeiter in den deutschen Bistümern) ist nicht ohne die die klerophile Nachfrage unter den Katholiken entstanden. Darauf weist auch die Definition, die Papst Franziskus gebracht hat (vgl. ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS )
Aber sprechen wir nicht nur über die Krankheiten, obwohl sie sicher in allen Formen und Prägungen zu finden sind. Es gibt auch schöne und gute Entwicklungen, die jedoch aller ihren Preis haben. Denn eine Kriese überwindet man, indem man an Stelle nutzloser Routinen Neues versucht und Altes zum Teil aufgibt. Die Vision der Volkskirche, die in Deutschland abnehmend aber immer noch gepflegt wird (man achte z.B auf die Ausrichtung des Handelns auf die große Masse) verhindert eine Weiterentwicklung zum voll wirksamen allgemeinen Priestertum aller Getauften. C. S. Lewis „Screwtape letters“ folgend könnte man sagen, dass der Synodale Weg in Deutschland eine sehr wirksame Nebelkerze ist, die eine breite Masse von „Durchschnittskatholiken“ priesterlich erhebt, in Wahrheit jedoch die Mittelmäßigkeit und Unkenntnis der Offenbarung zum Maßstab definiert. Die sogenannte „kleine Herde„, die bereits beim Zweiten Vatikanischen Konzil von einigen Theologen wie Karl Rahner prophetisch erahnt worden ist, wird seit Jahren als elitär abgelehnt. (Die echten Eliten in der katholischen Kirche in Deutschland findet man ganz woanders: bei den Funktionären der „katholischen Verbäne“.) Der Vorwurf, eine Elite zu sein, richtet sich gegen jeden, der die breite Masse nicht stützt. Blickt man in die 2000 Jahre des Christentums, erkennt man recht schnell, dass es die Ausreißer, die Einzelkämpfer und kleinen Gruppen waren, die den Ruf Gottes wahrgenommen haben. Einige von ihnen nennen wir Heilige: Theresa die Große, Theresa von Lisieux, Katharina von Siena, Franziskus, Ignatius, Augustinus oder die selige Familie Ulma. Unter den Gruppen sind sicherlich die Anachoreten, die Zisterzienser, die Franziskaner, die Jesuiten oder die sog. „Neuen Cahrismatichen Bewegungen“. Sie haben zum richtigen Zeitpunkt auf den Geist Gottes gehört, seinen Willen erkannt und danach gehandelt. Erst recht gegen die breite Masse. Die Mahnung vor einer elitären Kirche ist wichtig, richtet sich seit Jahrzehnten aber gegen die Falschen.
Nicky Gamble auf der CHARIS-Konferenz
called, transformed and sent
Aula Paul VI., Vatikan 3-4.11.2023
Die vorhin genannten Personen haben eines gemeinsam und sie haben es gemeinsam mit vielen orthodoxen Mönchen, Protestanten und Mitgliedern der vielen Erweckungsbewegungen der letzten 2000 Jahre: das „Feuer im Herzen“ (Begriff von Dr. Johannes Hartl übernommen). Das ist ihr innerer Antrieb, der nicht nach hinten zurückblickt, sondern auf die Zukunft fixiert ist, die der Heilige Geist selbst ist und es den Menschen auch zu erkennen gibt. Hier möchte ich zuerst einen Anglikaner – Nicky Gamble, den Gründer der Alpha-Kurse – würdigen. Er hat erkannt, das unter der Asche religiöser Riten und moralischer Gesetze die Glut der Gottesliebe zu ersticken droht. In einer zeitgenössischen Art und Weise lud er die Menschen dazu ein, Gott kennenzulernen. Er hat recht, denn es ging nie um das Gesetz, sondern um den Menschen und um Gott. Wer Jesus aus dem Evangelium kennt oder die Serie „The Chosen“ geschaut hat, wird es sofort wieder erkennen. Dieser neue Zugang ist ein mächtiges Werkzeug, vor allem wenn es um die innere Erneuerung einer Pfarrei geht. „Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluß oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person„ sagt Papst Benedikt XVI. In Deus caritas est und hat natürlich recht. Auch moderne Theologen und Psychotherapeuten haben recht, wenn sie sagen, das es Jesus zunächst einmal nicht um eine Moral oder eine Kirche ging, sondern um eine persönliche Beziehung aus der auf natürliche Weise all das hervorgehen muss. Seit Jahrhunderten sind wir gewohnt, Glaubenssätze und Inhalte auswendig zu lernen. Man nennt es Katechese. Sie ist wichtig, um nicht unnötig zu irren. Aber es fehlt das Kerygma. Dieses Kerygma – das Menschen-zu-Jesus-bringen, wie es Apostel Andreas mit Apostel Petrus gemacht hat – wird in dem Glaubenskurs gesät.
Der Alphakurs ist nicht der einzige Weg in der inneren Erneuerung. Die Charismatische Erneuerung bietet die Heilig Geist Seminare mit einem ähnlichen Weg an, sitzt aber noch einen obendrauf. Am Ende der Veranstaltungsreihe wird um die Taufe im Heiligen Geist gebetet (Taufe im Sinne eines Eintauchens). Verbunden mit der Übergabe des eigenen Lebens an Gott und Anerkennung Jesu als einzigen Herrn und Erlöser passieren schon mal hier und da auch Zeichen der Gegenwart Gottes, die wir „Wunder“ nennen. Das hat für die Person natürlich innere und äußere Folgen. Solche verwandelten Menschen sind in einigen Gemeinden verhasst und werden wegen ihrer Radikalität gemieden. Wo sie zum Zuge kommen, erweisen sie sich als sehr aktive Gestalter, glaubenstreue Katholiken und Vorkoster der künftigen Entwicklungen, die der Heilige Geist herbeizuführen versucht.
„Wenn die Menschen sich nicht ändern, ändert sich gar nichts, auch die Pfarrei nicht“ – sagte James Mallon während des Kongresses der CHARIS im November 2023 im Vatikan, bei der ich dabei sein durfte. Man kann Strukturen ändern, man kann Gesetze ändern, man kann Verantwortliche auswechseln aber in einer Organisation ändert sich nichts, wenn die Menschen nicht anders zu denken und zu handeln versuchen. Dieser Satz des Gründers von Divine Renovation Ministries, die sich der Erneuerung der Pfarrei widmen, ist die Quintessenz seiner Erfahrung der letzten 15 Jahre. Die kanadischen und amerikanischen Pfarreien durchleben das, was auch die deutschen Pfarreien betrifft. Es ist eine tiefe Krise des Glaubens, verbunden mit einer Krise der Organisation, die unweigerlich folgen musste. Ein „weiter so“ wird es nicht geben. Auch dann nicht, wenn die Einzugsgebiete vergrößert werden. Und es ist egal wie viele Laienmitarbeiter dem Pfarrer zur Seite gestellt werden: solange die Kirchenmitglieder die Kirche nicht als ihre Heimat erleben und die Kirche als ihre Kirche verstehen, bleibt alles beim Alten. Die Kirchensteuer in Deutschland, die zwischen Menschen unterscheidet, die es wert sind, für ihre Arbeit bezahlt zu werden und Menschen, die für das gleiche Tun ihre Freizeit opfern sollen, hindert das ehrenamtliche Engagement mehr, als dass es fördert. Diese Ungerechtigkeit muss weichen, damit alle sich entwickeln können. (Aufgaben wie Koordinationshilfe oder allgemeine Verwaltung im Büro oder Hausmeistertätigkeiten sind natürlich eine Ausnahme.) Christliche Bestattung ist zwar im Dienstleistungskatalog der Körperschaft des öffentlichen Rechts „Katholische Kirche“ verbrieft, aber warum soll die nichtsakramentale Seelsorge in Gänze nicht von freiwilligen Laien gestemmt werden, die eine kleine Entlohnung dafür erhielten? Der Luxus, alle Paar Straßen weiter einen Priester zu finden, hat uns entwöhnt, selbst zu beten. Daraus entstand die Talisman-Kirche. Man geht in die Kirche, um sich von Pfarrer durch ein Hokuspokus Wohlergehen zusichern zu lassen. „Den Segen abholen“ nennt man das. Als Teil der Gemeinschaft auf dem Weg zu Gott verstehen sich die wenigsten.
Die kleine Herde muss keine kleine Herde bleiben. Um charismatische Gestalten versammeln sich zunächst kleine Gruppen die stets wachsen und sich örtlich verteilen. Daraus entstanden schon einige Bewegungen der Volkskirche. Man denke z.B an die Franziskaner, an die Missionen, die Jugendarbeit nach Don Bosco oder an die Jesuiten und ihre Werke. Eine solche Bewegung kann auch aus Divine Renovation Ministries entstehen. Reformierte Pfarreien, die anderen Pfarreien helfen, sich geistig zu erneuern, sind der Anfang. Das weitere Element sind die Alpha-Kurse oder ähnliche kerygmatische Unterweisung, die für Gott begeistert und eine Beziehung zu ihm eröffnet. Und auch die muss einen Anfang haben. Dieses Startsignal kann nur durch ein Evangelisierungsereignis kommen. Denn es müssen sich sowohl die erneuern, die noch in der Kirche sind, als auch die, die ihr fern stehen, weil sie die Organisation aber nicht ihren Gründer kennen.
Die Evangelisierung schreibt Papst Franziskus in Evangelii Gaudium allen kirchlichen Organisationen ins Stammbuch, auch der Pfarrei. Ob eine Pfarrei eine missionarische Pfarrei ist, findet Pat Collins, der auf diesem Kongress ebenfalls gesprochen hat, mithilfe von zehn Fragen heraus. Ich kenne keine Pfarrei in Deutschland, die mehr als zwei positiv beantworten könnte. Alle Bemühungen um Sanierung der lokalen Kirche enden in Forderungen, wie wir sie auch vom Synodalen Weg kennen. Weder die kirchlichen Angestellten, noch die Laien sind darum bemüht, Menschen für Gott zu gewinnen. Es scheint ihnen die Freude an der glücklich machenden Botschaft zu fehlen. Überhaupt ist eine Skepsis gegenüber Menschen, die mit Gott und Kirche gute Beziehung haben, eine weit verbreitete Geisteskrankheit in der Kirche in Deutschland. Als normal gilt nur derjenige, der über Gott oder Kirche spricht wie ein frisch Geschiedener von seiner Ex. Bei aller Liebe zur Wahrheit: es ist und bleibt Vieles schwierig aber es gibt auch viele so guten Dinge, über die man gerne sprechen müsste. Sie überwiegen! Warum passiert das nicht? Und vor allem: Qui Bono? An dieser Schwarzmalerei kann nur einer seine Freude haben!
Manchmal muss es eben auch der Pfarrer sein, der mit seiner Autorität vor Ort bestätigt, dass die jungen und alten Menschen, die gerade für die Wiederentdeckung der Liebe Gottes werben, das verkünden, was die Kirche seit Jahrhunderten lehrt. Die unendlich barmherzige Liebe Gottes – eines, der sogar Mensch wurde und uns kennt – warum sprechen wir nicht darüber? Wo sind die Laientheologen? Verschanzen sie sich in der Kirche hinter dem Ambo? Warum sind sie nicht auf den Marktplätzen, in den Hochhaussiedlungen, an den Schulen oder in den Feuerwehren und bestechen mit einer herzlichen Wärme aus ihrer Erfahrung, Kinder eines wirklich guten Vaters zu sein? Den Apostel Andreas zum Vorbild nehmend müsste jeder vor Freude rufen: „Ich habe den Messias gefunden!“. Stattdessen Miesenpeter-Gesichter (oder wie Papst Franziskus sagt: Kabeljau) von Moralisten, die mit eigener Leistung unzufrieden sind und zu Abstrichen an der Messlatte bereit sind.
Die Erneuerung der Pfarrei steht und fällt mit der Erneuerung ihrer Mitglieder. Die Bereitschaft zu der berühmten Metanoia – der Umkehr – ist nicht nur im moralischen Sinne zu verstehen. Sie setzt auch voraus, sich selbst zu verleugnen (eigene Erfahrung, eigene Wünsche, eigene Weltanschauung) – wie es in eben diesem Abschnitt von Lk 9 oder in Mt 16,24 heißt – und dem Geist Gottes zu folgen. Er gestaltet diese Welt und er ist die „Dynamis“ – die Kraft Gottes – gegen die zu arbeiten keinen Sinn hat. Vielmehr sollte man mit ihr zusammenarbeiten. Schwierig ist nur, dass der „Ruah“ – der Atem Gottes – nicht in Schranken, Regeln oder Prozesse zu fassen ist. Er weht, wohin er will (Joh 3,8) und wir können ihn hören und ihm folgen, aber niemals fassen. Das gilt auch für die Erneuerung der Pfarrei. In jeder von ihnen wird er ein wenig andere Richtung einschlagen und es macht keinen Sinn, Erfolgsrezepte von anderen blind zu kopieren. Vielmehr müssen wir wie die bereits erwähnten Charismatiker, zu denen auch die Mutter Gottes – „voll der Gnade“ bzw. „charismatisch erfüllte“ – zählt, neu lernen, den Wind des Geistes wahrzunehmen. Dann sollten wir auch Vertrauen lernen und nicht ängstlich nach Absicherung suchen. Das ist wichtig, weil der Heilige Geist manchmal im Sturm und Rumor kommt, wie es schon einmal an Pfingsten passierte. Wenn Gott sich dafür entscheidet, etwas neu zu machen, macht er es mit Kraft und bestätigt mit mächtigen Zeichen. Das Denken „mir würde schon genügen…“ klingt wie die Weigerung gegenüber dem Heiligen Geist. Im Lukas Evangelium im Kapitel 10 lesen wir, dass Jesus nicht nur die 12, sondern das Sechsfache davon – die 72 – sendet und ihnen seine ganze Macht anvertraut. Ihre Aufgabe war das Evangelisieren, das Heilen und das befreien. Es kann also jeder von uns den Auftrag bekommen. Und es kann schon mal für einige zu laut werden. Man kann ein Haus nicht ohne Lärm umbauen. Das beweisen mir gerade meine Nachbarn und ich habe dafür volles Verständnis.
Ich glaube, hier liegt der Kern der Aussage Jesu vom Anfang des Beitrags. Entweder bist du bereit dem Geist Gottes zu folgen, anzuecken, Lärm zu ertragen, dich senden zu lassen und Großes zu erwarten oder du bist innen bereits tot, weil du Gott nichts mehr zutraust. Du machst dein Ding und verteidigst deine Heiligtümer, die vielleicht irgendwann gut und wichtig waren und vielleicht auch irgendwann wieder werden aber jetzt dem Geist Gottes im Wege stehen wie eine riesige Kiste mit dem Spielzeug deiner Kindheit. Wie offen wir wirklich sind können wir erkennen, wenn wir an die praktische Ökumene mit Ost und West denken. Fühlen wir uns nur gestört, wenn die einen mit geschlossenen Augen und erhobenen Händen zur christlichen Rockmusik innerlich in den Armen Gottes ausruhen oder wenn die orthodoxen mit viel Zeit, Weihrauch und unter Gesang und Gebeten das Tor zum Himmel aufstoßen? Wenn wir in der fremden Anbetungsart nichts Gutes erkennen können, sollten wir schleunigst rufen „löse was in sich erstarrt„. Denn wir sind für die Pfarrei der Zukunft nicht bereit. Wir beharren auf alten Mustern. Der neue Wein gehört aber in neue Schläuche. Statt neue Menschen zu suchen, die alte Aufgaben erfüllen sollen, sollten wir besser schauen, welche Aufgaben zu den Charismen der Menschen passen. Denn jedes Charisma, dass der Heilige Geist schenkt, ist in genau dieser Zeit für eine Aufgabe zum Wohl der ganzen Gemeinschaft geschenkt. So definiert Gott selbst die Aufgaben und schenkt uns die Gnade, sie auch zu erfüllen.
Die Aufgabe der Pfarrer hat sich nicht überlebt. Sie sind nicht bloß Spender von Sakramenten. Sie sind die Garanten und die Förderer der Charismen und zugleich der Einheit unter diesen. Ich merke immer mehr, dass die alte Herrschsucht längst überwunden ist und neue Generation von Priestern exakt so ihre Aufgabe versteht. Ich habe nichts gegen Laien in der Leitung, denn Charismen gibt es viele, aber es kann nur einen Hirten geben. Die Opferbereitschaft der zölibatierten Priester ist beeindruckend und mit Laien leider nicht aufzuwiegen. So muss auch hier eine Gemeinschaft gepflegt werden, damit es eine Herde und einen Hirten gibt. Der Hirte bereitet der Herde einen Ort (den Stall), wo die Herde ihre Heimat findet. So ergänzt das eine das andere. So wird die Pfarrei der Zukunft gelingen.
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