Cantalamessa: Nur im Hl. Geist können wir zu Kindern Gottes werden

Gaudete in domino! Nicht vergessen!

Der päpstliche Prediger erinnert in seiner Meditation zum Advent an ein wichtiges Detail des christlichen Lebens. Er verweist auf die mystische Erfahrung vieler Heiligen, die eine liebevolle Beziehung zu Gott aufgebaut haben, aus der sie auch in der Verfolgung ihre Kraft schöpfen.

Für die Charismatiker unter uns stellt dieser Text die Zusammenfassung des Lebens als Christ dar. Es ist sozusagen unser Credo und die Quelle unserer Hoffnung.

Nicht ohne Grund ist der Doktor der Theologie der Prediger der letzten drei Päpste gewesen. Sein Wissen, seine Spiritualität und sein Charisma, beides in Worte zu fassen, begeistern bis heute viele Katholiken für Gott. Dass gerade im Advent eine solche Aussage zum Leben im Heiligen Geist kommt, darf keinen wundern. Es ist der Heilige Geist, der in der Verkündigung über Maria kommt und es ist der Heilige Geist, aus dem man neu geboren werden muss. Derselbe heiliger Geist, ist die Gemeinschaft zwischen Jesus und seinem Vater. In diesem Geist sieht der Menschensohn Dinge, die ihm der himmlische Vater offenlegen will. Kurzum: nur im Heiligen Geist können wir Gott unseren Vater nennen.

Und genau am Begriff „Vater“ knüpft Cantalamessa an. Er fragt: was stimmt nicht mit unserem Glauben, wenn wir mit Angst und Misstrauen die Worte „dein Wille geschehe“ aussprechen? Warum diese Angst vor „Papa“ – wie es wörtlich im „Vater unser“ heißt?

Es ist der Heilige Geist, der das Herz mit dem Gefühl erfüllt, ein Kind Gottes zu sein, so dass wir es fühlen (und nicht nur wissen!). Manchmal findet dieses fundamentale Wirken des Heiligen Geistes im Leben eines Menschen plötzlich und intensiv statt und dann kann seine ganze Pracht betrachtet werden. Bei Exerzitien, einem mit besonderer Offenheit empfangenen Sakrament, mit offenem Herzen gehörtem Wort Gottes oder bei einem Gebet um die Ausgießung des Hl. Geistes (der sogenannten „Taufe im Geist“) wird die Seele von einem neuem Licht durchflutet, in dem Gott sich ihr auf eine neue Weise als Vater offenbart. Man erfährt, was Gottes Vaterschaft wirklich bedeutet; das Herz wird weich und die Person fühlt sich in dieser Erfahrung wie neugeboren. Es gibt ein großes Vertrauen und ein neues, nie zuvor bekanntes Gefühl der Gnade Gottes. Manchmal jedoch wird diese Offenbarung des Vaters von einer solchen Erfahrung der Majestät und Transzendenz Gottes begleitet, dass die Seele überwältigt wird und verstummt. (Ich beschreibe nicht meine eigenen Erfahrungen, sondern die Erfahrungen der Heiligen!). Man kann verstehen, warum manche Heilige das Vaterunser begannen und nach Stunden noch an diesen ersten Worten festhielten. Über Hl. Katharina von Siena, schreibt ihr Beichtvater und Biograph, Seliger Raymond von Capua, dass es ihr schwer gefallen sei, das Ende des Vaterunsers zu erreichen, ohne in Ekstase zu verfallen.

Dr. Raniero Cantalamessa OFM Cap.

Die weitere – nicht wirklich neue, aber so noch nie ausgesprochene – Erkenntnis über Gott Vater vermittelt Cantalamessa, indem er unsere Aufmerksamkeit auf das Herz des Vaters richtet. Es sei ihm eine Freude, Papa genannt zu werden. Deshalb ist das Vaterunser nicht bloß für uns ein Herzensgebet, sondern auch die Quelle der Freude für unseren Schöpfer.

So unterschiedlich Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus sind – man kann sie und ihr Wirken nicht ohne diese einfachen Sachverhalte verstehen. Vor allem bei Franziskus fällt es uns immer schwerer, seine Entscheidungen nachzuvollziehen. Dabei schöpft er am meisten aus dieser Gotteskindschaft im Hl. Geist. Unbesorgt verlässt er sich auf seine Führung und lässt Dinge zu, die mit dem Verstand zu gefährlich oder zu falsch erscheinen.

Ohne die von Cantalamessa geschilderte Gotteserfahrung muss uns „dein Wille geschehe“ ängstigen. Nur durch die kindliche Gemeinschaft mit dem Vater kann man wie Jesus am Ölberg Gott Vater völlig vertrauen und dabei in Kauf nehmen, dass das was wir als das Schlimmste für uns vorstellen in Gottes Händen das Beste für uns sein kann. Diese schmerzliche Erfahrung greift Cantalamessa auf und bringt ein weiteres Beispiel, wie Zeiten der Prüfung und des Leidens, zu Zeiten des Wachstums werden. Beethoven, der nahezu taub seine letzte Sinfonie komponiert hat, hätte auch den tosenden Applaus nach der Aufführung nahezu verpasst, wenn nicht ein Mensch ihn am Ärmel in Richtung Publikum gedreht hätte. Das berühmteste Werk endstand durch Ausdauer in der Zeit eines großen Leidens.