Wie böse doch die Piraten sind… Man schalte nur die ARD ein.

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Es wundert mich sehr, dass diejenigen, die selber vom (sozusagen) „geschenkten“ Geld Fernsehen machen, uns (den Spendern) die Rechte daran nicht gewähren wollen. Es wundert mich jedoch nicht, dass sie als Rechteinhaber auf einmal den Schulterschluss mit Patentanwälten oder Besitzern des sog. geistigen Eigentums üben.

Plusminus hackt ohne einen Tropfen Selbstkritik auf der Piratenpartei herum. Die bösen Jungs wollen den Hunderten von Patentanwälten die Lebensgrundlage entziehen. Und die Erfinder können von ihren Erfindungen gar nicht mehr leben… Als Beispiel für Patente werden zwei Dinge vorgeführt: Eine Trag-Klemme für offene Säcke und Hubschrauber-Stabilisierungs-Computer. Erstes ist eher ein Patent, welches man um 1912 vermuten würde. Praktisch aber nicht gerade umwerfend. Das Zweite – eine enorme intellektuelle Leistung, die ich bewundere.

Was nicht erwähnt wurde, sind Hunderte von absolut trivialen Patenten wie „der Doppelklick“, die absolut unnütz sind – außer für die Besitzer (sog. Patent-Trolle). Sie nutzen es, um Geld von großen Unternehmen zu erpressen. (Sie setzen es nur dort ein, wo Geld zu finden ist – meist sehr inkonsequent und unfair.) Auch die Patent-Kriege wie zwischen Apple und Samsung oder Oracle und Google bleiben unerwähnt. In diesem Sinne behindern Patente die Entwicklung sogar, weil man bei jeder Kleinigkeit befürchten muss, dass man wegen unerlaubter Nutzung von patentierten Verfahren verklagt werden kann. (Ja, auch wenn man selbst auf ein solches Verfahren kam!) Patente sind für die Zukunft der Technik das gleiche, wie Atombomben für und die Menschen im XX. Jahrhundert…

Wenn man an Medikamente denkt, muss man sehr wohl bedenken, dass die Entwicklung und Zulassung Millionen kosten kann (auch wenn es nicht immer so ist). Ein Patent wäre das richtige Mittel – denkt man. Doch man kann sich einen Wirkstoff zeitversetzt nach und nach für weitere Krankheiten oder Behandlungweisen schützen lassen: Jahrzehnte lang. Man kann so locker das zehnfach oder hundertfache der Investitionskosten verdienen.

Ein Patent als „geistiges Eigentum“ entzieht sich interessanterweise der sonstigen Nutzung des Eigentums in Fällen von Lebensbedrohung. Steht ein Mensch im Flammen, darf man der Gattin des Ministers ihren Pelzmantel entreissen, um die Flamen zu ersticken und das Leben des Betroffenen zu retten. Bei Medikamenten soll das aber nicht gelten? Man lässt Tausende an einer Seuche elendig verkommen, weil sie nicht das Geld für die überhöhten Preise aufbringen können. ACTA sollte sicherstellen, dass auch keine Generika importiert werden können. Eine sehr eigenwillige Auslegung des Wortes „Eigentum“. (Ich weiß nicht, von dem das Wort stammt, aber ich bewundere denjenigen, der gesagt hat: „Eigentum verpflichtet.“)

Einen Tag nach Plusminus sendet Monitor ein Lamento (zu deutsch „Klagelied“) darüber, wie die bösen Piraten die Künstler berauben wollen. Man versucht, die Widersprüche der Piraten auf Basis persönlicher Einschätzungen auszuarbeiten. Andererseits verwickelt man sich selbst in Widersprüche. Die arme Band, die bis vor wenigen Monaten nicht von ihrer Musik leben konnte… Haben wir nicht Kapitalismus im Lande? Leistungen, die nicht gebraucht werden, bezahlt eben keiner. Das ist jedem Musiker klar. Das Problem steckt jedoch viel tiefer – für den Durchschnittsverbraucher fast unsichtbar. Es sind die Unmengen an Managern und Produzenten bzw. die Vorstände der riesigen Plattenfirmen, die die Musiker schröpfen. (Die Musiker und Tontechniker sind bis auf wenige Ausnahmen – die man üblicherweise als Stars bezeichnet – eher keine Gewinner innerhalb der Musikindustrie.)

Warum soll das Verkürzen der Schutzfrist auf 10 Jahre nach dem Tod des Autors gleich alle Schriftsteller und Verlage in den Ruin treiben? Wer mit 30 ein tolles Buch geschrieben hat, mit 80 stirbt und noch 70 Jahre nach dem Tod an den Verlagsvertrag gebunden ist, hat dem Verlag 120 Verwertungsjahre beschert. Ist das nicht ein Irrsinn? Je nach Vertrag kann die Ausschüttung nur einmalig stattfinden, so dass die Nachkommen nichts von der langen Frist haben oder anteilig. (Dann profitieren die Nachkommen, ohne dass sie dafür etwas getan haben. Es sei ihnen gegönnt, wenn sie darauf Erbschaftssteuer zahlen würden.)

Das eigentliche Problem ist wieder das Wort „Eigentum“. Den Besitz kann ich jemandem stehlen, so dass er keinen Zugriff mehr darauf hat. Beim Kopieren ist das jedoch nicht der Fall. Es gibt sicher eine Urheberschaft, eine geistige Schöpfung oder eine geistige Vaterschaft. Wie sie ausgestaltet wird, darf sich aber nicht am Beispiel des Nachbarn mit seinem BMW orientieren. So ist es denkbar, nur die kommerzielle Nutzung und Verbreitung der erschaffenen Werke mit Lizenzen zu regeln. (Ich zahle für nervige Ohrwürmer keinem Musiker auch einen Cent. Ich besitze und nutze sie in meinem Gehirn ungewollt, könnte sie rein theoretisch nachsingen oder nachspielen… Sobald es nicht mehr in meinem Kopf ist, sonder auf der Festplatte müsste ich dafür zahlen!) Warum sollen Kindergärten zahlen, nur weil die Kinder beim Fest das Schlumpflied singen wollen? Bei Radiosendern oder Filmen, in den Vorhallen der Autohäuser oder in der Disco kann man es durchaus verstehen.

Die rückwärts gewandten Redakteure der ARD wurden von den einflussreichen Lobbyisten der Musikindustrie oder der Patentindustrie in ihren (wie immer) unabhängigen Recherchen womöglich auf Schritt und Tritt gut unterstützt. So empfinde ich jedenfalls das Ergebnis. Statt auf die Kollegen der BBC zu schauen oder an die Grundlagen des Problems zu gehen, wird hier und da etwas an der Oberfläche der Wirtschaftlichkeit gekratzt. Arm und billig.

Eine viel differenziertere Sicht der(selben) Dinge bietet z. B. das Deutschlandradio. Hier wird das Urheberrecht nicht als von Gott gegebenes und zu verteidigendes Gut angesehen. Es gibt sehr viel Raum für die Ausgestaltung. Es liegt eben an uns, dies zu tun. Die Piraten sind das Sprachrohr derjenigen, die eine Reform wünschen. Keine Mörder der deutschen Wirtschaft.