Die Passion Jesu – eine perverse Geschichte

Unter „Perversion“ hat Wikipedia einen recht kurzen Eintrag. Wem muss man denn dieses Wort noch erklären? – fragen Sie sich vielleicht – Und was hat das mit der Passion unseren Herrn zu tun?

Nun. Das Wort selbst wurde auf das Gebiet der Moral – vor allem der Sexualmoral – eingeschränkt. Eigentlich bedeutet der lateinische Begriff „pervertere“ umkehren, umdrehen, umwerfen. Mit anderen Worten „pervers“ ist etwas, wenn es (grund-)verkehrt ist.

In der Leidensgeschichte Jesu – wenn man die Hintergründe etwas genauer anschaut – ist alles verkehrt. Ein Unschuldiger muss sterben, weil er Wahrheit sagt – weil er von sich genau das behauptet, was er auch ist.

Es fängt schon an, als die Zwölf nach dem Paschamal ihren Rabbi begleiten. Statt zu wachen oder sich um ihn Sorgen zu machen, wie sie es früher taten (als sie die Menschen von ihm fern halten wollten) schlafen sie in aller Seelenruhe. Und kurz darauf der Kuss. Das Zeichen der Freundschaft und der Vertrautheit wird zum Zeichen des Verrats. Es kommt aber noch schlimmer: Petrus – die „Rechte Hand“ will von seinem Meister nichts wissen. Eine seltene und schmerzhafte Erfahrung: aus einer Geborgenheit im Kreis der Freunde unter anderem durch diese an die Feinde ausgeliefert und alleine gelassen zu werden.

Die jüdischen Schriftgelehrten, die zu damaliger Zeit zerstritten waren und um die Macht konkurrierten, haben (bis auf kleine Gruppen von Aufständischen) weitgehend Frieden mit Rom geschlossen. Dabei glaubten sie an einen mächtigen König, den Jahwe hätte senden sollen (den Messias). Die schlimmen Erfahrungen des Exils und der Fremdherrschaft prägten das Denken sehr stark. So scheint es unmöglich, dass sie Jesus an Pilatus ausliefern und eine Kreuzigung fordern, indem sie sagen „Dieser behauptet, er wäre ein König und wir haben keinen König außer Cäsar!“.

Bei den Hohepriestern versucht man ihn mit Hilfe von gekauften falschen Zeugenaussagen (nach Talmut verboten) als schuldig darzustellen. Als diese nicht übereinstimmen, wird eine strafbare Aussage von Jesus provoziert – nur dass sie bei ihm nicht strafbar sein kann. „Ich bin der Sohn Gottes“ soll als Gotteslästerung ausgelegt werden. Die Strafe (die Steinigung) wollen die Beteiligten aber nicht auf sich nehmen. Sie übergeben Jesus an den obersten römischen Verwalter, wollen ihm aber nicht einmal die Hand schütteln, um vor dem Fest nicht unrein zu werden. Pilatus weiß genau, dass die Sache „stinkt“. Er versucht Jesus (den er für unschuldig hält) zu retten. Zuerst über die Freilassung auf Wunsch des Volkes zu Pascha-Fest. Leider muss er dadurch einen Räuber und Mörder laufen lassen. Dann versucht er mit der Auspeitschung. Doch er darf keinen dulden, der sich König nennt. So springt er – gegen das eigene Gewissen – auf die Argumentation der Hohepriester auf und schließt dabei noch eine Freundschaft mit seinem ärgsten Feind Herodes. So pervers können Menschen sein: gegen das eigene Gewissen und für die Sicherung des eigenen Status sind sie bereit, andere Menschen sterben zu lassen.

Viele weitere Details sind in dieser Kreuzigung anders als sonst. So wird die Tafel mit der Angabe der Schuld „Jesus von Nazaret, König der Juden“ angefertigt. Ein „amtliches Zeugnis“ bestätigt sozusagen die Worte Jesu und erklärt ihn zum König. Ein römischer Soldat erkennt im Tod des Rabbi seine wahre Existenz: „Dieser war Sohn Gottes“. (Was die Juden leugnen, erkennt ein Heide – unglaublich!) Unter dem Kreuz stehen nicht etwa die zwölf Männer. Nein, da sind vor allem Frauen vertreten. (Der erste Mensch, der Jesus auferstanden sieht, ist ebenfalls eine Frau. Da müssen die Apostel aber ganz schön beschämt gewesen sein.)

Der eigentliche Sinn der Passion ist auch eine Perversion: Im Kreuz ist Leben. Jesus mit seinen zwei Naturen: der göttlichen (ewigen und unsterblichen) und der menschlichen (sterblichen und schwachen) muss als Unschuldiger sterben. Dabei ist der Tod die Folge (keine von Gott aufgestellte Strafe – wie oft fälschlich geglaubt wird) von Sünde. Ohne eine Sünde nimmt er die Folge für diese auf sich. Er lässt sich sozusagen vom Satan in den Tod treiben. Der teuflische Hass gegen Gott kennt keine Grenzen. Von dieser Haltung geprägt bringt dieser zunächst Judas, dann die Hohepriester, das Gottesvolk Israel, den Pilatus und die römischen Soldaten dazu, Jesus nach menschlichen Maßstäben zu vernichten. Dabei wird der Teufel das Opfer seines blinden Hasses: Jesus nimmt mit seiner Auferstehung dem Tod seinen Schrecken und dem Satan, die Macht über die Sünder. Ja, in gewisser Weise war der Mitwirkung des Teufels nötig, um ihn selbst zu besiegen.

Aus dem Tod wird Leben. Aus der Vernichtung ein Sieg. Aus Verstrickung in Schuld Freiheit.

Eine unglaublich perverse Geschichte!