Während Facebook immer unverschämter wird und mit persönlichen Daten nahezu um sich wirft, geht eine Veröffentlichung von Google fast unkommentiert in die stille Geschichte des Netzes. Darin wird von Google sein Verständnis des Wortes „Offenheit“, mit dem es sich gerne auch schmückt. Das äußerst anspruchvolle moralische Postulat der Google-Gründer „Tu nichts böses“ ist schon so mehrdeutig, dass es fast bedeutungslos ist. Was soll man dann von der Definition der Offenheit erwarten?
Die Offenheit bezieht sich laut diesem Text auf das System, die Technologie und die Information.Wie nicht anders zu erwarten, ist nicht alles Gold, was glänzt. Und glänzen tut sehr viel! Google zeigt die geschichtliche Entwicklung der Forschung und der Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten und zieht den Schluss: offene Systeme sind viel stärker am Gemeinwohl orientiert, senken die Kosten für die darauf basierenden Produkte und erlauben dem Nutzer einen Eingriff in die Entwicklung. Als Beispiel wird OpenSource-Software zitiert. Unerwähnt wird z.B. der Suchalgorithmus von Google. Wie die Ergebnisse zustande kommen, weiß die Gesellschaft nicht einmal ansatzweise. Es werden zwar einige Indikatoren erwähnt, wie Keywortdichte, Ladezeiten oder Keyworte in der URL. Einen Einfluss auf das Ergebnis haben wir Nutzer jedoch nicht. Ein gutes Beispiel dafür ist experts-exchange.com, die angeblich Antworte auf Fragen und Probleme mit der Technik beinhaltet. Ohne ein Abo bekommt man da leider nichts zu sehen. Was nutzt mir also solche Links im Listing? Als angemeldeter Nutzer habe ich brav auf „x“ geklickt (in der Hoffnung, dass ich es nie wieder sehe) … leider vergeblich! Einfluss auf die Suche bei Google habe ich nicht, dafür sind die Ergebnisse unglaublich gut. Hier scheint Google seine Suche nicht zu den offenen Systemen zu zählen. Dies ist jedoch zu verkraften, wenn man bedenkt, wie sehr dieses Unternehmen sein Engagement sonst im Web und für das Web einbringt (vgl. VP8-Codec für HTML-VIDEO-Tag).
Die offene Technologie meint offene Standards und Open Source. Beides für das Web existenziell! Nicht nur Google Summer of Code, Chrome oder Android sind hier anzuführen. Auch das kostspielige Aufkaufen eines Kleinunternehmens soll hier erwähnt werden: Der VP8-Codec soll als patentfrei und quelloffen allen zur Verfügung gestellt werden, damit jeder Browser diesen für das HTML-Video-Tag nutzen kann. Google lässt sich nicht mit supertollen proprietären Lösungen ködern. Es setzt auf offene Standards und arbeitet bei der Erstellung solcher mit. Auf der anderen Seite fragt man sich: warum läuft youtube immer noch auf Macromedia-flash-Basis? Man unterstützt OpenSource-Gemeinde indem man Tools zum Code-Hosting bereitstellt. Ja, man veröffentlicht sogar (demnächst) den Code der Google Kommunikations-und-Zusammenarbeit-Plattform Wave. Das tun die anderen auch. Facebook gibt seinen Code zur Kompilation von PHP-Skripten nach C-Binaries oder „Tornado“ – Realtime-Web-Framework für Python. Doch auch hier geht Google weiter als die anderen – schon wegen der großen finanziellen Ressourcen. Diese werden mit der nicht-quelloffenen Lösung „Adwords“ erwirtschaftet. (Und hier beißt sich die Katze wieder in den Schwanz… Aber auch hier sei angesichts dieser Tatsachen verziehen.)
Als Drittes wird die „Offene Information“ zitiert. Hier geht es um den Honigtopf! Eine GPS-Lösung für Versicherungen, die je nach Fahrerverhalten Rabatte oder Aufschläge verlangen könnte an sich eine ambivalente – wenn auch viel zu kostspielige Lösung: Sie könnte moralisch sein oder auch zum unethischen Datenmonster mit nahezu willkürlichen Entscheidungen heranwachsen. (Hier kann man auch Google als einen Versicherer ansehen) Man räumt im folgenden Absatz ein, es gibt auch andere Methoden, die den gleichen Zweck erfüllen und von den Menschen bevorzugt werden. Man will die Menschen nicht übergehen, sondern ihnen die Entscheidung lassen. Man glaubt mit einer Erklärung wie: „verantwortlich, skalierbar und flexibel [mit den Daten umgehen]“ würde reichen, um das Vertrauen der Benutzer zu gewinnen. (Genauso blauäugig wie „Tu nichts böses!“)
Der Nutzen ist nicht immer auf der Seite des Surfers. Bei Werbung profitieren vor allem die Werbenden (es ist ihr größerer Nutzen). Wir Sterblichen dürfen ab und zu wirklich etwas finden, was uns keine neuen Bedürfnisse aufschwätzt, sondern den bestehenden entspricht.
Die Transparenz ist so eine Sache – und das gilt für Google wie Facebook oder Microsoft: Wir wissen nicht wirklich, was da mit Daten über uns passiert. Das Datenschutz-Dashboard bei Google hat jedoch einen Fortschritt zu verzeichnen, von welchem wir bei der Schufa nur träumen können: Man kann gewisse Daten löschen. Es sind nur gewisse Daten, weil man beim Protokoll der Suchanfragen nur den eigenen Namen löschen kann. Die Daten bleiben anonymisiert bis zu 2 Jahren irgendwo auf einer Festplatte erhalten. Man wird zu einer Nummer, die wohl immer dann als Bezugspunkt genommen wird, wenn man sich weiterhin so verhält, wie man sich vor der Anonymisierung verhalten hat. Was da mit unseren Daten weiter ge’mind‘ wird (mein Ableitung vom Substantiv „data minig“), was keiner.
Im Abschnitt über die Kontrolle wird ein Seitenhieb in Richtung Facebook ausgeführt: „Falls die Nutzer unsere Produkte verwenden und Inhalte bei uns speichern, dann sind es immer noch deren Inhalte, nicht unsere.“ Soll heißen: „Während andere Ihnen Ihre Daten klauen oder Sie der Rechte daran berauben, behalten Sie bei uns die Kontrolle, wie lange diese bei uns liegen.“ Man kann also Daten bei Google entfernen und woanders ablegen. Ob dieses Löschen wirklich so spurlos verläuft, wissen wir nicht. („Die Email können Sie löschen, aber unser grobes Wissen um die darin enthaltene Inhalte können sie nicht löschen.“ ist damit auch abgedeckt.) Der Unterschied zu Facebook ist: hier entfernen Sie die Daten und Google kann sie nicht weiter nutzen – bei Facebook können Sie die sichtbare Kopie löschen, ob es eine Zweite gibt, wissen Sie nicht und müssten erst einmal eine weitere Nutzung der „gelöschten“ Daten ausdrücklich untersagen. Da ist mir Google eher ein Freund als Facebook. Dass beide APIs für die Nutzung der bei ihnen gespeicherten Daten bereitstellen, ist dabei unerheblich (wenn auch fortschrittlich, weil für die Interkonnektivität und vielseitige Nutzung sehr vorteilhaft).
Was habe ich also aus diesem Statement von Google gelernt? Ich kann nicht verhindern, dass meine Spuren etwas über mich aussagen, auch wenn ich die zugrunde liegenden Daten gelöscht habe. Aber ich kann immerhin etwas löschen und so dem Zugriff von Google entziehen. Bei Facebook wäre ich mir dessen nicht so sicher! Der Datenschutz bei Google hat einen kleinen Fortschritt erfahren und ist endlich ins Zentrum gerückt. Bei Facebook geht man mit dem Thema um, wie mit dem Wunsch eines Kindes nach einem Lutschbonbon – man hofft, dass das Kind irgendwann von sich aus aufhört zu schreien. Deshalb ist mein Konto knapp 2 Monate nach der Eröffnung wieder gelöscht (hoffentlich).
Noch etwas wichtiges habe ich verstanden: So böse kann Google gar nicht sein, wie es unser Staat ist. Bei diesem kriegen wir besten Falls nur Einsicht in die über uns gespeicherten Daten. Löschen können wir diese nicht – auch nicht bei der schönen ELENA. Was ist daran so böse, zu wissen wo welches drahtlose Netzwerk betrieben wird und welche MAC-Adresse der Router hat? Unser Staat weiß, wie viel wir verdienen, wie oft wir krank waren, ob wir eine Partei bei den Wahlen mit einer Unterschrift unterstützt haben und wie unsere Kinder heißen…
Es kommt immer auf die Nutzung dieser Daten an.