Oft hört man den Einwand einer „beleidigten Leberwurst“ (vgl. Botschafter Melnyk), die sich gegen das Ettikett „X“ wehrt. (Natürlich nicht zu vergessen: Loriots „Woas bin i?“ des bayrischen Vertreters in der abstrusen politischen Diskussion.) Er soll den Redner als falsch informierten Zeitgenossen diskreditieren. Diese Abwehrhaltung erwartet eine Antwort auf die Frage, was das Etikett „X“ tatsächlich bedeutet. Was bedeutet „konservativ“ tatsächlich? Ist es nur politisch zu verstehen und wirklich Schuld am Unglück des rastlosen modernen Menschen, wie es uns die Medien weiß machen wollen?
In einem kleinen Städchen fand ich ein schönes „Bild des Konservativen“. Jedes Detail kann zum Spiegelbild dieser Weltanschauung und auf die Gegenwart bezogen werden. Mit anderen Worten „ein Bild des Konservatismus“.
Das Haus ist sehr gepfleg und schön anzusehnen. Es macht viel Freude, den Blick darauf zu richten und die Ansicht zu genießen. Es stört ja nicht, dass es alt ist. Im Gegenteil: Eben weil es alt ist, wirkt es so anziehend. Die Liebe zum Detail und die nahezu perfekte Proportionen zwischen den Bestandteilen rufen allgemein Begeisterung hervor.
Betrachtet man genauer, was „alt“ bedeutet, stellt man fest: diese relative Größe des Alters ist in diesem Fall fast nur eine Randbemekrung wert. Das Haus ist nicht wirklich alt. Geschätzt stammt es aus dem 18. oder gar 19. Jahrhundert und folgt den damaligen Schönheitsidealen. Angesichts des Alters der Erde ist es eher unbedeutend. Auch „konservativ“ meint die Werte, Normen und Prinzipien, die in den letzten Jahrhunderten als wesentlicher Bestandteil einer Gesellschaft hervorgebracht wurden. Nicht Cicero oder Walter von der Vogelweide sind die ausschlaggebende Größen. Es gibt zwar uralte Fundamente wie Jesus Christus oder die griechischen Philosophen aber sie sind nicht das ganze Gebäude. Vor allem die Fassade eines Hauses ist meist nur die heutige Vorstellung, von dem, wie sie hätte aussehen sollen. So gilt für ungebildete Mitbürger ein despotisches Patriarchat als konservativ. Nichts falscher als das! Es ist wie die knall gelbe Farbe des Hauses, die sicherlich nicht original ist.
Das angebaute Türmchen ist der Großzügigkeit des Bauherrn zu verdanken. Es ist nicht notwendig. Aber es macht die Schönheit des Objektes aus. So sind manche Sitten und Bräuche des konservativen Mannes werder notwendig, noch verpflichtend: Der Dame die Tür aufhalten; einer ältren Reisenden oder einer Schwangeren im Bus den Sitzplatz überlassen; Frauen zuerst grüßen und erwähnen oder ihnen schwere Lasten/Arbeiten abnehmen. In Zeiten von Gleichberechtigung und freier temporärer Geschlechterwahl ist es schlichtweg unnötig. Es gilt als ein Ausdruck der Wertschätzung. Mag der Anbau nicht aus reiner Liebe zur Ästhetik entstanden sein – vielleicht nur ein bescheidener Ausdruck des Reichtums des Erbauers – so ist es dennoch im Gesamtkonzept stimmig und bereichernd.
Faszinierend sind die Fenster. Sie sind keine 200 Jahre alt. Sie sind modern und gut gedämmt. Sie sind neu. Auch das, was hinter ihnen noch zu erkennen ist, wirkt sehr zeitgenössisch, um nicht zu sagen: „modern“. Statt Kerze oder Blumen (und obligatorischen Gardinen) erkennen wir moderne Lampen und schlichte Gewächse. In der Analogie gilt: Ein moderner Mensch kann sich sehr wohl modern in einem konservativen Gedankenkonstrukt häuslich einrichten. Konservatismus ist weder totalitär noch intolerant. Konservatismus ist das Haus von Werten, in dem jeder sich nach eigenem Geschmack einrichten kann. Das hat natürlich Grenzen: man kann nicht nach Belieben Wände verschieben, ohne die Statik des ganzen zu gefährden.
Meter lange Glasfronten und Boden Fenster sind ebenso wenig möglich oder passend. Man braucht in einem solchen Haus kein Panoramabild der Außenwelt. Das ständige Betrachten des „Jenseitigen“ kann sich ohnehin nur derjenige leisten, der zu viel Zeit hat und zudem nicht in seiner eigener Welt leben kann. Diesen Spiegel braucht der Konservative nicht. In der Naturrechtslehre findet er alles, was der „Ordnung“ der Welt dient. Er braucht nur Licht – den limitierbaren Kontakt mit „Draußen“. Dafür sind große Glasflächen unnötig. Die Wände schützen die Intimität des Ichs, die Fenster verbinden dagegen mit den Anderen. Wer einen Sonnenbad wünscht, wird nicht umhin kommen, das Gebäude zu verlassen. So haben es die Menschen vor Jahrhunderten gehandhabt. Sie lebten drausßen – setzten sich der Sonne aus. Das Zuhause war dagegen ein schützender Hafen. Der konservative Mensch, kann sich entspannt in der modernen Welt bewegen, kann sich ihr aussetzen. Er weiß ja, wo sein Zuhause ist und wo alles in einer bestimmten Ordnung anzutreffen ist. Diesen Luxus hat der Modernist nicht. Er ist getrieben von seiner Unruhe und seinem Wunsch, alle anderen an sein stets dem Wandel unterworfenes Ich anzupassen. Selbst heimatlos und für die Umgebung kein Fels in der Brandung.
Der Zahn der Zeit nagt immer an der Bausubstanz. Ein Dach als schützende Außenhülle muss alle 30-40 Jahre gewartet und konserviert werden. Große Zeitabstände für eine Einrichtung, die das Ganze vor dem schnellen Verfall bewahrt! Die Art und Weise des Schutzes der konservativen Werte ist in ähnlichen Zeitabständen anzupassen. Lange haben wir und darauf verlassen, das Ehe un Familie von unserer Verfassung geschützt würden oder Kreuze in Ämtern und Klassenräumen selbstverständlich seien. Das eine wurde umdefiniert, das andere im Namen einer falsch verstanden Toleranz verboten. Es wirkt aberwitzig, wenn Frau Innenminister von „Werten, auf die wir uns in der Demokratie verständigt haben“ und von „Toleranz“ spricht aber das Abhängen der Kreuze und das Aufhängen der linksideologischer Regenbogenfahnen fördert. Nein, darauf haben wir uns nicht verständigt. Und schon gar nicht darauf, dass der Staat unsere Kinder indoktriniert! Es ist nur eine Wunschvorstellung einer Politikerin mit einer starken Schlagseite. Dass ihrem Treiben niemand Einhalt gebieten kann, liegt schlichtweg daran, dass wir keine konservative Partei mehrin Deutschland haben.
Mag das eine oder andere Detail in diese Betrachtung nicht eingeflossen sein, so gilt dennoch das Bild als Metapher für das Konservative. Auch die schlichte Tatsache, dass das denkmalgeschützte Bauwerk nicht im Freilichtmuseum steht, sondern an einer viel befahrener Straße steht, kann uns als Hinweis dienen: „Konservativ“ ist kein archaischer Artefakt, sondern mitten im Leben anzusiedeln. Obgleich es den meisten nur als ein Haus unter vielen begegnet, verliert es dennoch seine Strahkraft nicht und bleibt ein erstrebenswertes Faszinosum.