„Das eucharistische Fasten“ – der Laienklerikalismus

Der Weg durch die Zeit der weltweiten Corona-Hysterie war lang und geprägt von Verzicht. Für gläubige Katholiken war das auch eine schlimme Zeit der Entbehrung der heilbringenden Sakramente, die bekanntlich nicht nur im Jenseits wirken, sondern auch hier eine starke Stütze für die leidende Seele sind. Umso schlimmer wird es von vielen empfunden, dass die deutsche Amtskirche übermäßige Stränge im Bezug auf die Gottesdienste hat walten lassen. (In anderen Ländern blieben die Ansteckungszahlen viel kleiner, obwohl die Gottesdienste im Beisein mehrerer Gläubigen gefeiert wurden – so z. B. in Polen.) Schlimm an der Situation ist, dass es in Deutschland nicht mehr besser werden wird. Der seelsorgerische Trend geht in Richtung „sakramentale Dürre“.

Ich lebe in einer Pfarrei, die vom Bistum Trier hätte längst aufgelöst werden sollen. Vielleicht nicht in der Größenordnung, die im Vatikan Erinnerungen an den tiefsten Dschungel am Amazonas wachruft… Und schon gar nicht mit einem Pfarrer, der nach aktuellem Kirchenrecht bestenfalls Pfarrverwalter (oder Pfarrverweser) genannt werden dürfte! Aber hier scheint der springende Punkt zu liegen. Pfarrer ist im Gegensatz zu einem Laien kein bloßer Angestellter des Bischofs. Nein, er teilt hat Anteil am Hirtenamt und ist somit in der Pfarrei nahezu das, was der Bischof im Bistum ist. Das kann ein Laie niemals erreichen, denn es fehlt ihm das wesentliche Merkmal: die Weihe, die es zwar nur einmal gibt aber in drei Stufen gegliedert ist.

Das Bewusstsein für diese Unterschiede scheint es unter den bischöflichen Angestellten und im Kirchenvolk nicht mehr zu geben. Im Gegenteil: die Laientheologen usurpieren für sich eine Stellung, die ihnen keinesfalls zukommen kann. Oft mit einer an den Haaren herbeigezogenen Begründung wie es ein gewisser Herr Odendal von katholisch.de tut. Die Zurückweisung der trierer Kirchenreform aus juristischen Gründen, nennt er (man halte sich fest und beiße im Notfall in die Tischkante): „Der Vatikan zementiert Klerikalismus und Machtstrukturen“ Und weiter: „Ganz unmittelbar wird etwa die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals erschwert.“ Seine Utopie von Priestern, die nach der Pfeife der Laien tanzen, mag in der Praxis bei optimalen Umständen keinen Schaden anrichten, doch widerspricht sie dem Selbstverständnis der Kirche. Das apostolische Lehramt, die Hierarchie, die Weihen, die Sakramente und die Eucharistische Gemeinschaft mit allen Katholiken der ganzen Welt sind nicht nur „nice to have“ sondern die Kernmarke unserer Kirche.

Was wäre die Kirche ohne die Sakramente? Ohne die Absolution im Namen Gottes? Die Messfeier ohne die Hl. Kommunion? Ein Fronleichnam ohne das Allerheiligste? Die Pfarrei mit einem Verwalter statt eines Hirten?

Die Antwort gibt es schon. Ich kann sie ansatzweise an meiner Pfarrei in Eppelborn erkennen. Angestellte Laien machen „Seelsorge auf Facebook“ (oder was auch immer – „irgend ebbes mit de neue Medie“), lassen das Sakrament der Versöhnung auch bei Erstkommunionkindern wie die 35. Herzjesu-Figur irgendwo weggesperrt verstauben und vermitteln nur das, was ein Laie vermitteln kann: Etwas Wissen, das Wir-Gefühl und gerne auch sozialen Aktionismus. Keine Spur vom Sacrum und der Kraft aus der Höhe. Auch das größte Geschenk der Versöhnung mit Gott muss der Pädagogik und den Psycho-Tricks weichen. Die nicht angestellten Laien machen „Gottesdienste zum Abgewöhnen“ – nur wenig Gebetsatmosphäre, ohne ein Konzept und jegliches Gefühl für Liturgie (Zeichen, Riten, Worte, Zusammenhänge). Der Aufruf des Heiligen Vaters zur Mission prallt an beiden Gruppen ab. Man tradiert nicht die Jahrhunderte alte Riten der Kirche, sondern lieber die Traditiönchen der 70er und 80er Jahre für die Teilnehmer mit einem Altersdurchschnitt von „68+“. Ein katholischer Altersheim mit „Ins Wasser fällt ein Stein“ statt „Das Wandern ist des Müllers Lust“.

Ich übertreibe gerne und spitze die Dinge zu, denn noch sind sie nicht so deutlich zu erkennen aber wie bei der Titanic anhand der Spitze eigentlich schon vorherzusehen. Mich persönlich besorgt der Verlust der Sakramente durch Priestermangel und durch das Desinteresse der bischöflichen Angestellten am meisten. Wo finde ich einen Beichtvater, der mir nicht nur gebetsmühlenartig wiederholt, dass Gott gut ist – das weiß ich ja selbst! Wo ist derjenige, der mir die Vergebung faktisch zusagt? Wie kann ich am eucharistischen Mahl teilnehmen und nicht nur über YouTube zuschauen? Bleibt Fronleichnam eine Feier der physikalischen Gegenwart Gottes in Gestalt des Brotes und des Weines unter uns Menschen oder wird es dauerhaft zu einem Volkswandertag?

Nur damit wir uns richtig verstehen: Es gibt genug Aufgaben für die Laien in der Kirche. Ihr Dienst ist hier und da lobenswert und sehr erfolgreich. (Man denke nur an die MEHR-Konferenz! Es wäre wünschenswert, wenn die katholischen Notfallseelsorger offiziell als Seelsorger behandelt werden würden.) Eines muss klar sein: Die sakramentale Seelsorge ist die Kernkompetenz der Kirche und muss es bleiben, denn ohne sie sind wir nichts anderes als eine Freikirche. Nur dass die echten Freikirchen uns in der Modernisierung der Seelsorge und des Gottesdienstes um Jahrzehnte voraus sind.

Der dauerhafte Verzicht auf die volle Teilnahme an der Eucharistie würde für uns im „eucharistischen Fasten“ enden, welches die letzten Kräfte raubt. YouTube schön und gut: Die geistige Kommunion ist eine Ad-Hoc-Erfindung die beim gerne zitierten Thomas von Aquin eigentlich das passende geistige Gegenstück zum äußeren physikalischen Empfang meint. Mögen die Gottesdienste im Netz 100 Mal besser sein als die vor Ort – wir brauchen die Gottesdienstgemeinschaft, die uns in der sonntäglichen Feier erst zu einer Kirche konstituiert. (Deshalb sind Pfarreien ohne wenigstens eine Heilige Messe am Sonntag nach 2. Vatikanischen Konzil eigentlich ein Unding, egal wie viele Laientheologen den Kirchenraum auch füllen würden.)

Als Letztes muss (mittlerweile: „muss!“) erwähnt werden, dass jede Messfeier auch ein Opfer mit Fürbitte um Bewahrung vor Pandemien und sonstigem Übel ist – nicht bloß ein Gesellschaftsspiel mit Austausch von Nettigkeiten. Den Auftrag Jesu auszulassen und nur auf Menschliches zu hoffen (Hygiene, Medikamente) bedeutet, die Unterstützung der kämpfenden Menschheit zu entziehen. Denn wir wissen nicht, wie Gott wirkt! Vielleicht sendet er einem Forscher den Heiligen Geist, der die Idee für das benötigte Medikament mit sich bringt…