Unter dem Titel „7 Leben“ wird in den deutschen Kinos der neue Film mit Will Smith gezeigt. Einer der Wenigen, die auch ohne Spezialeffekte auskommen. Das rätselvolle Handeln und die sporadischen Schaltungen in die Vergangenheit von Ben Thomas kann leider erst am Ende des Films zu einer sinnvollen Geschichte zusammenflicken. Deshalb eine kurze Inhaltswiedergabe:
Ben Thomas ist ein hochintelligenter Ingenieur mit MIT-Abschluss. In seinem Hochmut und seiner Ignoranz glaubt er, alles seinem (beruflichen) Leben unterordnen zu können. Das Missachten einfachster Regeln im Straßenverkehr (Handy am Steuer) führt zu einem Unfall, in dem sieben Menschen seinetwegen das Leben verlieren. Das kann er nicht akzeptieren und versucht mit seiner Schuld klar zu kommen. Er fasst einen Plan, sein ganzes Hab und Gut – seinen Körper und sein Leben eingeschlossen – anderen zu schenken, damit diese am Leben bleiben.
Auf den ersten Blick ein bewundernswertes heroisches Tun. Doch was steck hinter dieser Selbstaufopferung?
Dieses Motiv kennen wir schon aus Fjodor Dostojevski’s Schuld und Sühne: Raskolnikov – ein junger Jurastudent – von seiner Überlegenheit überzeugt versucht sich im „Perfekten Mord“. Von Albträumen und Gewissensbissen geplagt, sieht er seine Schuld ein und nimmt die Strafe auf sich. Im sibirischen Lager (wohin die in ihn verliebte Sonja freiwillig folgt) entdeckt er den Glauben und wird demütig, bescheiden und herzlicher.
Etwas anders ist es bei Ben Thomas: Seine Schuld ist kein Verbrechen, sondern eine grobe Fahrlässigkeit, die unbegrenzt Schuldgefühle produziert. Seine Sühne ähnelt jedoch eher einer Selbstbestrafung…
In diesem Film wird man mit der Frage nach dem Umgang mit eigener Schuld konfrontiert. Mit einer Frage also, die heutzutage gar nicht existieren darf. Sie wird verdrängt: Schuld sind immer die Anderen, nie man selbst! (Die Hölle muss ebenso „für die Anderen“ existieren – man selbst wird ja auf der Wolke schweben.) Und je mehr man „sich selbst entschuldigt“ (ent-schuld-ingt), desto stärker kommen die Schuldgefühle hoch. Wie soll man also mit der eigene Schuld umgehen? Auf diese Frage geben Philosophien und Religionen mehrere unterschiedliche Antworten.
Eine der ältesten Religionen – das Judentum – versteht die Sünde als Handeln gegen die Ordnung Gottes. Die Sünde stürzt die Welt immer mehr in das Chaos, das schon vor der göttlichen Weltschöpfung existierte. Im „priesterlichen Judentum“ (oder wie man es auch nennen soll) konnte man ein mal im Jahr am Jom-Kippur-Fest alle Sünden loswerden: der Hohepriester übertrug durch die Handauflegung alle Sünden des Gottesvolkes auf den Sündenbock, der anschließend unter Tritten und Schlägen aus dem Jerusalemer Tempel in die Wüste geschickt worden ist. Seit dem rabbinischen Judentum (nach der Zerstörung des Tempels durch die Römer im 1. Jh) gibt es diese Entsündigung nicht mehr.
Die ebenso alte und verbreitete Religion namens Hinduismus (im Zusammenspiel mit der Philosophie des Budda) hat eine andere Antwort gefunden: Das gute und das schlechte „Karma“ (mit „Score“ eines Computerspiels nur schwer zu vergleichen). Je mehr schlechte Karma, desto schlimmer die Reinkarnation (Gestalt nach Wiedergeburt). Soll heißen: Das Böse, das du säst, wirst Du auch ernten!
Aus meiner Sicht die einzig richtige und sinnvolle Antwort auf dieses Dilemma des Schuldig-Seins hat das Christentum. Es unterscheidet zwischen den Folgen einer bösen Tat (beim Mord der Tod, beim Prügeln die Verletzungen) – genauso wie jede atheistische Philosophie: nur begrenzt „wiedergutmachbar“ – und der spirituellen Folge einer Sünde (ein freiwilliger und bewusster Verstoß gegen die Gebote Gottes) – der Trennung des Menschen von der Liebe Gottes. Das Christentum fordert zur Aussöhnung und Wiedergutmachung auf (soweit es in der Macht des Sünders steht) und gibt ihm die die nötigen Werkzeuge dazu.
Das erste und wichtigste ist das Bewusstsein, dass Gott in Jesus Christus alle Schuld auf sich genommen hat und „den Schuldschein zerrissen“ hat – wie es heißt. Jesus Christus ist „unser Anwalt“ und er kann „mit unserer Schwäche mitfühlen“. „Einmal gestorben, stirbt er nie wieder“ – man muss es nicht wiederholen, wie im Falle des Sündenbocks. „Er hat unsere Schuld auf sich genommen.“ Diese Bibelzitate zeigen, wie unnötig es ist, sich selbst entschuldigen zu wollen.
Die katholische Kirche als Symbol und Werkzeugt der Liebe Gottes zu den Menschen hält ein viel belächeltes und meist mißverstandenes Tun namens Beichte. Die erste und wichtigste Voraussetzung ist die Reue: kein Gefühl wie „ein reuiger Hund“, sondern ein echtes Bedauern. Als Zweites kommt der Wille zur Wiedergutmachung und besserer Lebensführung hinzu. Als Drittes ist das „laute“ Bekennen der eigenen Schuld, welches in göttlicher Vergebung endet:
„Gott, der barmherzige Vater, hat durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes die Welt mit sich versöhnt und den Heiligen Geist gesandt zur Vergebung der Sünden. Durch den Dienst der Kirche schenke er dir Verzeihung und Frieden. So spreche ich dich los von deinen Sünden im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“
Da spricht der Priester im Namen Gottes – desjenigen also, der auch die Toten / Ermordeten vertreten darf und „für die Folgen einspringen“ kann. Die Sünden oder die Schuld wird nicht einfach nur zugedeckt, sondern von einem weggenommen. Man wird ent-schuldigt. Dieser Dienst der Kirche soll dem Menschen, der vielleicht für seine Dummheit sich selbst hasst, Frieden und Verzeihung schenken. Und das geschieht nicht, weil die katholische Kirche einfach so alles könnte, sondern weil Gott es selbst getan hat!
Der Versuch einer atheistischen Sühne, welcher in „7 Leben“ gezeigt wird, ist einfach nur märchenhaft (oder: „auf dem Stand einesvierjährigen Kindes“ wenn man so will). Wenn ein reicher, gesunder und intelligenter Singel die Welt mit seinem Geld und seinen Organen beschenken will, so ist das für uns „Sterbliche“, die entweder nicht so reich oder nicht so gesund sind, nur ein Traum. Unsere Schuld bleibt an uns kleben – wie ein Kaugummi unter dem Schuh. Wir können keine sieben Leben „schenken“. Mangels der Möglichkeit, den Tod ungeschehen zu machen, werden andere Menschen „beschenkt“. Solche „Geschenke“ bringen den Betroffenen – den Toten und ihren Familien – rein gar nichts!
Ein großes Missverständnis sollte hierbei noch erwähnt werden: Ben Thomas hat niemanden bewusst umgebracht. Es sind seine Schuldgefühle (die Unmöglichkeit ent-schuld-igt zu werden), die ihn steuern – keine wohl überlegtes und verantwortliches Handeln (Restultat: Selbstmord!). Seine Fahrlässigkeit im Straßenverkehr sollte uns vielmehr betroffen machen. Jetzt sollte auch die schlimmste Quaseltante verstanden haben, warum Handy und Autofahren keine gute Kombination ist…