Diesen Spruch kennt jeder. Viele glauben es auch. Nicht zuletzt wegen dieser Leichtgläubigkeit hatte das Betriebssystem GNU/Linux vor allem in Deutschland einen schweren Start. Und heute? Man schätzt, dass Zehn Milliarden Geräte auf unserem Planeten von genau diesem quelloffenem System gesteuert bzw. damit betrieben werden.
Ist diese Redensart falsch? Nein, nicht ganz. Richtig ist, dass wir den Wert der Dinge in Kosten messen: Teure Laufschuhe sind besser als günstige; Fidschi-Wasser ist gesünder als das aus dem Hahn; Und ein Urlaub auf Bali erholt einen besser als einer im Allgäu. Erwiesener Maßen sind diese Sätze falsch: Erholen tut uns der innere Abstand, den wir im Urlaub gewinnen; Das Wasser der Stadtwerke ist nicht nur ökologischer, sondern auch genauso bekömmlich. Und Laufschuhe machen einen Gelegenheitsläufer nicht zum Weltmeister. Es ist der Wert – und da sind sich die Psychologen einig – den wir selbst in unseren Köpfen geschaffen haben. Unsere Investion in etwas überzeugt uns. Die Zeit, die Mühe und das Geld machen etwas wertvoll. Aber auch etwas anderes!
Der Glaube an die Richtigkeit der Sache, unsere Liebe zu etwas und die entstandene Bindung zu etwas – alle drei steigern den Wert. Werte sind immer subjektiv.
In einem Disput in Herder Korrespondenz streiten zwei Theologen über die Vorgehensweise der katholischen Kirche in Deutschland, die scheinbar nicht einmal ein schwaches Abbild der Urkirche ist. Die Frage ist: macht die Kirche etwas falsch? Müssen wir anspruchsvoller sein? Sind die Vorbereitungen auf die Sakramente noch nötig?
Dr. Johannes Hartl vom Gebetshaus Augsburg meint sinngemäß (so stellt es katholisch.de dar) „Wir taufen und trauen jeden – egal, was er glaubt“. Diese provozierende These baut er aus und behauptet: Das Absenken des Anspruchs an die Christen tut dem Glauben der Kirche nicht gut.
Sein Gegenüber, Christian Hennecke – ein leitender pastoraler Mitarbeiter im Bistum Hildesheim – verteufelt hingegen diese Idee und spricht vom elitären Christentum – und ein solches ginge gar nicht. Sein Vorschlag: Wir brauchen mehr Vielfalt. Und wirft dem promovierten Theologen, der das Feuer des Gebetes in Tausenden von Herzen entzündet hat, hinterher: Beten alleine helfe nicht.
So wahr dieser abschätzig klingende Satz auch ist (ora et labora), so sehr wünscht man sich als Katholik: Würden die Angestellten Gottes wenigstens das anständig machen! Das Beten war schon für Jesus der Anfang für jede seiner Tätigkeiten. Nicht einmal den Leidensweg nimmt er auf sich, ohne vorher zu beten. Auch die Brotvermehrung, die Heilungen – ja sein ganzes irdisches Wirken – beginnt mit intensivem Gebet. In den Kirchen erlebt man das echte Beten kaum noch. Es wird viel gemacht und experimentiert, gestaltet und mitgestaltet… Aber Fürbitten, frei aus dem Herzen, mit allem, was einem auf der Leber liegt… Ein Ding der Unmöglichkeit. Dafür brauche man schließlich eine Spezialausbildung!
Ich habe ein Problem mit dem Abstempeln als Elite. Ich kenne keine Menschen, die zu diesen geistlichen „Eliten“ gehörten und andere davon abhalten wollten, dieser „Elite“ beizutreten. Im Gegenteil: Diese „Elitären“ werben missionarisch neue Aktive ein und führen sie zur Kirche. Das machen echte Eliten nicht. Sie wollen alleine bleiben. Dieser Einwand ist wirklich daneben. Er ist genauso peinlich wie das elitäre Geschwafel der überwiegend deutschen und französischen Politiker, die sich abschätzig über christliche Länder äußern. „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ ist der Elitarismus per excellence!
Diese „Eliten“ sind der eigentliche Grund für die unökologische Amazonassynode. Nicht die Frage der Weihe oder die Ökologie. Die katholische Kirche verliert dort massiv Mitglieder an die Freikirchen, die zwar nicht so gut ausgebildete – dafür aber im Beten umso eifrigere Mitarbeiter besitzen. Das wirkt. Menschen, die das leben, was sie in der Bibel lesen. Haben wir denn niemand mehr, der dieses Kunststück fertig brächte? Ist das zu elitär?
Vielleicht hat Hartl doch Recht. Alle und alles als katholisch betiteln hilft nicht weiter. Es senkt die Reibung mit gewissen linken Eliten, weil sie sich als Abtreibungsbefürworter immer noch als Mitglieder verstehen können, verwässert die Lehre Jesu jedoch – bis zur Unkenntlichkeit. Es wäre sicher zu viel, von jedem getauften Katholiken ein makelloses und tugendhaftes Christenleben zu verlangen. „It must be hart to be an angel…“ Andererseits: Tausende von Heiligen beweisen uns, dass es geht. Wenn wir uns wenigstens darauf einigen könnten, dass katholisch ist, wer seine private Meinung nicht der Kirche aufs Auge drücken will und ein christliches Leben zu führen versucht. Ist das schon elitär?
Was man umsonst bekommt, schätzt man nicht so sehr, wie das, was man selbst erarbeitet hat. Was nichts kostet, ist halt nichts wert. Das scheint leider auch auf unseren Glauben zuzutreffen: Wenn ich durch das Zahlen der Kirchensteuer und gelegentliche Aktionen für Obdachlose oder Flüchtlinge mir ein kuscheliges Plätzchen im Himmelreich sichern kann, warum soll ich dann noch beten und mich abmühen mit der untrennbaren Ehe? Alle sieben bis acht Jahre eine schöne Familienfeier nach einem kirchlichen Hocus Pocus – das rundet die Mitgliedschaft im Kirchensteuerzahlerverein ab. Es ist zwar völlig unglaubwürdig, aber es geht.
Hartls Argumente überzeugen nicht nur durch die Betrachtung der kriselnden Kirche. Schon das Wort Jesu zum „Christentum unterschiedlicher Geschwindigkeiten“ ist eindeutig auf seiner Seite:
Geht durch das enge Tor! Denn das Tor ist weit, das ins Verderben führt, und der Weg dahin ist breit und viele gehen auf ihm.
Mt 7,13
Es gibt nur ein Tor für alle, die erlöst werden wollen. Und es ist nicht das niederschwellige.
Sorry, Herr Hennecke, aber dieser Punkt geht eindeutig an Hartl!