Teil Drei des „Triptychon“ habe ich vor ca. zehn Jahren gesehen und relativ schnell wieder vergessen. Ein Film, dem man wegen der einfach gestrickten Geschichte gut folgen kann. Vielleicht zu gut. Man bleibt gerne bei den „Fakten“ stehen. Auf den zweiten Blick (z.B. nach mehrere Jahren – wie bei mir) entdeckt man die „Geschichte hinter der Geschichte“.
Ich habe soeben das Wort „Triptychon“ statt – wie es richtig wäre – Trilogie verwendet. „Trilogie“ bedeutet „drei Wörter“ und würde zur Überschrift „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ gut passen. „Triptychon“ hingegen meint „dreifach gefaltet“, „dreifach zusammengesetzt“. Das eine gibt es nicht ohne die anderen Beiden. Drei, die Eines ergeben. Das erscheint mir irgendwie passender. Man erkennt es auch daran, dass die Frau des Komponisten aus Teil eins (Blau, „Freiheit“) kurz in Weiß – der „Gleichheit“ – auftaucht. Es ist ganz am Anfang. Dort wo die Ungleichheit und die heillose Geschichte ihren Anfang nimmt: Im französischen Gerichtssaal während der Verhandlung der Scheidung zwischen dem impotenten polnischen Friseur mit Weltmeistertitel (Karol) und seiner schönen aber kaltherzigen Ehefrau Dominique.
Diese Scheidung ist das erste Bild der sog. Gleichheit. Man merkt sofort, dass der Migrant keine Chance hat. Seine Erkrankung ist für ihn sicher eine schwere Last. Er bekennt sich öffentlich dazu und dies wird ihm zu Verhängnis. Ab diesem Moment ist er ihr ausgeliefert. Ein großer aber fast leerer Koffer beherbergt seinen gesamten Besitz. (Diesen brachte seine siegessichere Ehefrau zur Verhandlung gleicht mit.) Schlimmer noch. Im Bewusstsein der eigenen Überlegenheit in der Heimat steckt die frisch geschiedene Französin ihr Friseursalon in Brand und zeigt ihren ehemaligen Ehemann als Täter bei der Polizei an. Von nun an ist der Pole „Freiwild“ und kann ohne finanzielle Mittel und wegen der Grenzkontrollen nicht einmal frei in die Heimat reisen.
So viel zum Thema „Recht„, vor dem ja alle gleich sein sollten. Statt von „gleich“ sollte man wohl eher von „gleichgültig“ sprechen. Ein Recht – ja ein ganzes Rechtssystem – das mit Gerechtigkeit nichts mehr gemeinsam hat. Ein System, in dem die Benachteiligten gänzlich schutzlos sind.
Als Gegengewicht wird mit dem Benachteiligten als zentraler Figur eine andere Geschichte im Anschluss an dieses Ereignis entwickelt. Ein wohlhabender Pole bieten eine größere Geldsumme für einen Auftragsmord (Tötung auf Verlangen) an einem reichen Mann an, der jegliche Lust am Leben verloren hat. (Darauf geht der besitz- und obdachlos gewordene Karol zunächst nicht ein.) Die zwei Landsmänner entscheiden sich für einen verwegenen und riskanten Rettungsplan – eine Reise im Koffer in die Heimat. Der Friseur schafft es tatsächlich, ein Leben nach dem Leben zu führen. Die Erfahrung der Erniedrigung führt nach und nach zum Wunsch nach Rache. Er nimmt den Auftrag der Wunschtötung an, um Geld für ein legales aber unmoralisches und äußerst lukratives Unterfangen zu bekommen. Wie es sich herausstellt, ist der Vermittler der Auftraggeber und das Ziel. Der Friseur führt den Auftrag aus. Er schießt auf seinen Retter und Freund der Schicksalsstunde. Dieser sinkt zu Boden, atmet einmal tief durch und steht wieder auf. Es war eine Platzpatrone. Auf die Frage, ob die echte Patrone zum Einsatz kommen soll, antwortet der Reiche, dass es nicht mehr nötig sei. So gut wie jetzt fühlte er sich schon seit Jahren nicht mehr.
Der Auftragskiller hat Skrupel. Er hätte das moralische Recht, einen leidenden zu „erlösen“ – ja, sogar die Pflicht, den Auftrag zu erfüllen. Es wäre illegal aber irgendwie gerechtfertigt, ein „Freundschaftsdienst“ sogar. Er tut dies, wenn auch anders als gewünscht. Und genau hier wird der enorme Unterschied zwischen dem Recht und dem Gewissen offenbar: dem Gewissen kann es nicht egal sein. Das Gewissen achtet auf die Person. Es ist keine kalte mechanisch-rechnerisch exakte Gleichheit und keine Gleichgültigkeit, die das Gewissen antreibt.
Das Ende der Geschichte endet in einer Aussöhnung des Rechts mit dem Gewissen, die ich hier nicht schildern will. Stattdessen empfehle ich die Trilogie – das Triptychon – jedem, der die Prinzipien unserer Gesellschaft neu entdecken will.