Zweifelhafter Dienst für Wähler

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Haben Sie schon mal www.abgeordnetenwatch.de besucht? Dieser Dienst soll Ihnen helfen, den besten der Kandidaten der Bundestagswahl ’09 zu finden. Auf mich wirkt das eher wie Wähler-für-doof-halten.de. Dafür gibt es zwei Gründe: die unzweckmäßige (übertriebene) Datenerhebung und die magere Ausbeute in den Antworten der Kandidaten.

Das erste und schlimmste ist die Erhebung von Daten, die zwei Aspekte aufweist: einen datenschutzrechtlichen und einen moralischen. Ein gutgläubiger Wähler soll neben seinem vollem Namen auch die halbe Adresse hinterlassen. Tut er dies nicht ausführlich genug, wird seine Anfrage abgelehnt. Tut er dies unter einem anderem Namen, der nicht gerade so üblich ist, wie Martin Schmitt oder Josef Meyer, wird man sogar aufgefordert, eine Kopie des Personalausweises zu schicken! Unglaublich, oder? Man will ja keinen Handy-Vertrag abschließen, sondern nur eine Frage im Forum stellen… Natürlich würde ich ein paar Fragen stellen – aber sicher nicht unter einem so seltenem Namen wie meinem. Wer weiß, wer sich dieser Daten bedienen wird. (In diesem Dienst „zahlen“ Sie womöglich irgendwann – wie beim google – mit Daten zu Ihren Interessen, Ihrer Identität etc…) Und wenn sich keiner diese Daten kommerziell nutzt – wollen sie wirklich aller Welt mitteilen, dass sie einige Politiker für unglaubwürdig halten?

Der moralische Aspekt ist für mich schwerwiegender. Sie müssen Ihren Herkunftsort und sogar Stadtteil angeben. Doch was tut diese Angabe zur Bedeutung der Fragen, die einem Kandidaten gestellt werden? Inhaltlich gar nichts. Der Art und Weise ihrer Abarbeitung wohl eher: Wenn Sie aus einem sozialen Brennpunkt stammen, sind sie bei einigen rechts- und linksextremen Parteien schon mal beliebtes Kommunikationsziel und eine Wand, an der man die Partei-Postulate in Großbuchstaben kleben kann. Für andere Politiker, sind sie womöglich nur lästiger „Beifang“ (wie es die Fischer sagen). [Denken Sie z.B. an „Mindestlohn“ oder „Bankenkriese“ … oder „Rente“… Da kann man viel in Sie hineindeuten – je nach Wohnviertel.]

Dabei sind wir beim zweiten Punkt. Für das fremde Klientel wird nicht unbedingt der Kaviar serviert. Einige Antworten wirken auf mich wie aus einem Vorlagen-Kasten zusammengeklickt. Eindeutig an der Frage vorbei. Einige Fragen scheinen gar keiner Antwort wert zu sein? Es ist vielleicht nur mein Eindruck, aber ich finde die Kommunikation zwischen den Wählern und den Kandidaten etwas seltsam und unausgeglichen. Das Kandidatewatch gibt den Abgeordneten mehr Möglichkeiten, als den Wählern: Man darf am Problem drumrum antworten, ihn seiner Herkunft nach „vorsortieren“. Eine echte Kommunikation zwischen gleichberechtigten sieht anders aus. (Aber es ist ja ebenso bekannt, dass Politiker sich nur ungerne beim Wort nehmen lassen und gerne den Fragen ausweichen.)

Wenn man sich schon die Mühe macht, einem Kandidaten ein paar Fragen zu stellen, dann sollte man besser E-Mail oder eine Podiumsdiskussion nutzen. So bleibt man anonymer und hat höhere Chance, ehrliche – und vor allem persönlichere – Antworten zu bekommen…

…und nur so BTW: Datensammler sind Verbrecher

Das offizielle Logo der Datenschutz-Initiative
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(…vor allem, wenn sie diese zu moralisch bedenklichen Zwecken nutzen)

[UPDATE: Wer seine Positon in Sachen Datenschutz mit der Politik der deutschen Parteien abgleichen will, sollte besser den Datenschutz-Wahlomat benutzen.]