„Mała sprawa“ – „Ein kleines Anliegen“

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Noch eine vergessene Perle der polnischen Filmemacher. Eine Komödie – obwohl nicht als solche ausgezeichnet. Man könnte es auch als sozialkritische Tragödie verkaufen. und tragisch zugleich.

Wir haben das Jahr 1975. Ein polnischer Metalvearbeitungsbetrieb, ein Zeichen des Fortschritts und der Industrialisierung wie es im Buche steht. Über Umwege bekommt die Leitung des Betriebes mit, dass ein ranghoher Politiker der Kommunistischen Partei einen Überraschungsbesuch plant. Um einen solch hohen Besuch gebührend zu empfangen, muss jedoch noch viel erledigt werden.
Wir kennen es sicher alle: Ein hoher Besuch kündigt sich an, aber statt Freude empfindet man etwas Angst. „Was muss ich noch vorbereiten?“, „Ist das OK oder kann man etwas noch besser machen?“, „Muss noch was auf die Schnelle repariert werden?“ und „Wie begrüßt man so jemand überhaupt?“

Genau diese Fragen beschäftigen den Chef des Werkes. Zur Unterstützung werden Vorarbeiter und Parteimitglieder eingebunden. Sie sind sich jedoch nicht einig und diskutieren eifrig. Der älteste Mitarbeiter wird damit beauftragt, die kleinlich durchdeklinierte Lobeshymne auf die Partei und den Besucher frei vorzutragen. Dieser hat jedoch überhaupt kein Interesse daran. Er sieht die Realität auch ganz anders als seine Kollegen. Statt die Wohltaten des Staates und der Partei zu loben, will er vielmehr auf die praktischen Probleme und Hindernisse des Betriebes und seiner Arbeitskollegen eingehen. Teilweise sind diese recht banal, führen in der Summe jedoch dazu, dass der Plan nie rechtzeitig und vollständig erfüllt wird.

Um möglichst positiv aufzufallen, werden an allen Ecken und Enden Korrekturen oder Reparaturen vorgenommen. So fällt den Zuständigen erst nach Wochen auf, dass im Bad die Wasserleitungen keinen Tropfen Wasser führen (was zur Folge hat, dass die Mitarbeiter in eben diesem Zeitraum ungewaschen nach Hause gehen mussten). Man versucht in der Kürze der Zeit einen Installateur aufzutreiben, um den Missstand zu beseitigen. Völlig unerwartet taucht auch die weiße Farbe auf, auf die man schon seit Monaten gewartet hat, um die Zebrastreifen auf dem Gelände des Betriebes zu erneuern. Kurz: Das ständige Provisorium kann unter Einsatz aller Kollegen scheinbar innerhalb weniger Stunden beseitigt werden.

Das wirklich Lustige ist genau das, was die Polen damals so geärgert hat und das Leben so schwer machte. Es ist die Karikatur eines Betriebes, einer und einer , die von Neusprech, Euphemismen und dem Verschließen der Augen vor der Realität geprägt wird. Eine Perversion der ersehnten Normalität.

Dieser hat an der Aktualität dennoch nichts verloren: Würde man aus der Sicht eines Harz-IV-Empfängers eine Doku unserer Realität verfilmen wollen, käme man sicher zum ähnlichen Ergebnis. Die Politik stimmt ein Loblied auf den Wohlstand und die Wirtschaft an, während Arbeitslose von den Arbeitsagenturen und „Angestelltenverleihern“ geknechtet, am Aufstieg gehindert oder schlicht als namenlose Masse eines Menschen unwürdig behandelt werden. Wir kennen ja alle die geschönten Arbeitslosenzahlen oder die nichtssagende Indexe wie Bruttoinlandsprodukt oder den DAX, die in keinem oder nur sehr losem Zusammenhang mit der Realität der einfachen Arbeiter stehen.

Auch die Angst vor den Hohen Tieren wird genial aufs Korn genommen. Dargestellt wird die Karikatur eines Chefs, der keinen Mut hat, im Sinne ihres Betriebes die Missstände anzusprechen sondern vielmehr durch Weihrauch und Schmeicheleien nur am eigenen Aufstieg interessiert ist. Wer Polen in den 80er Jahren erlebt hatte, weiß worum es geht: Die Fertigungszahlen wurden die Ministerien deutlich überhöht gemeldet, Anfragen nach Bedarf klein geredet oder unbeantwortet an die zentralen Planer zurückgeschickt. Man lebte in einem bewährten Provisorium, weil keiner den Mut hatte, den Mund aufzumachen. Und je schlimmer es wurde, desto mehr lobte man die Segen des Sozialismus… Bis 1980 ein Elektriker der Danziger Werft im Namen seiner Kollegen und seiner vielen Kinder den öffentlich kritisierte.

Für Westeuropäer nur schwer verständlich – weil kaum nachvollziehbar – ist dieser Film eine wunderbare Satire auf eine Firma bzw. eine Gesellschaft, in der man wirklich nicht arbeiten oder leben will. Sozialkritisch, mit dem Fokus auf dem Provisorium als Dauerzustand. Einfach sehenswert.

Hier ein Link zum polnischen Filmeportal mit genauer Beschreibung der Handlung http://filmpolski.pl/fp/index.php/124697