Robert Redford gehörte unstreitig zu den Größten des Hollywoods. Was ihn auszeichnete, war sein Privatleben, das angeblich von Ruhe und Bescheidenheit geprägt war und seine ganz besondere Rollen (wenig Action, viel Menschliches). Er verstarb im hohen Alter im Kreis seiner Familie. Ein Film mit ihm in Hauptrolle hat mich besonders geprägt. „Ein unmoralisches Angebot“ hat ungeahnt tiefe spirituelle Dimension und weist eine exemplarische Parallele zu einer Wirklichkeit des christlichen Lebens: der Sünde.
Eines vorweg: es geht nicht um die Sünde, die Inhalt des Filmes ist. Vielmehr ist in dem Geschehen ein ganzer Prozess zu erkennen, der die Entstehung, die Folgen und die Überwindung der Sünde darstellt. Um es kurz zu fassen, geht es hierbei um Versuchung, Verzweiflung, Reue und Versöhnung.
Versuchung
Es ist typisch für den Versucher, dass er uns nicht dort angreift, wo wir stark sind, sondern dort, wo wir ungeübt oder leichtgläubig sind. David und Diana (gespielt von Woody Harrelson und Demi Moore) sind stark. Auf ihr Glück und ihre echte Liebe ist der Milliardär John Gage (Robert Redford) neidisch. Sein unmoralisches Angebot der einen Million Dollar für eine Nacht mit Diana bringt den Stein ins Rollen. Der Versucher kennt unsere Lebenssituation sogar besser als John die von David und Diana. Er nutzt gezielt die Schwachstellen aus wie unsere Ängste (z.B. wie die vor der wirtschaftlichen Not wie im Film dargestellt) oder unsere Unerfahrenheit – vor allem aber das Fehlen einer Tugend, die als fester Vorsatz, Gutes zu tun und Böses in jeder Gestalt zu meiden definiert wird. „Mit dem Teufel verhandelt man nicht!“ – heißt eine der uralten Weisheiten des Christentums. Lässt man sich gedanklich darauf ein, hat man meist schon verloren. Das ist gut im Film zu sehen, wo David und Diana in der Nacht nicht schlafen können. Beschwichtigen und Naivität über die Folgen sind das weitere Merkmal des Versuchers. Auch die Beiden dachten, es würde nichts bedeuten. Hat man jedoch in das Angebot eingewilligt, ändert sich die Situation diametral.
Verzweiflung
Das Gewissen – in meinem Kinderkatechismus als „Stimme Gottes in unserem Herzen“ bezeichnet – gibt solchen Deals mit dem Teufel keine Zustimmung. Das erkennt man an David, der in letzter Sekunde versucht John aufzuhalten. So wie er durch die Fluren raste, so pocht oft das Gewissen, wenn man erkennt, dass es falsch war. Die Erkenntnis, die Zeit nicht mehr zurückdrehen zu können, führt manchmal zur Verzweiflung: „Warum habe ich mich darauf bloß eingelassen?“
Die Verzweiflung wird mit jedem Tag größer. Es beginnt schon mit der Abscheu vor Dingen, die mit der Tat zusammenhängen: Sie kehrt zurück in das Hotelzimmer und weiß nicht, wie er reagieren würde und er weiß nicht, was er tun soll. Er kann sie nicht küssen solange die Schminke auf ihren Lippen ist, die John geküsst hat. Er muss es erst die Schminke wegwischen. Hier beginnt eine weitere Falle. Die Leichtgläubigkeit (die Tat würde nichts bedeuten) verwandelt sich nach und nach in eine Hölle. Das Allernatürlichste auf der Welt – der Kuss zwischen zwei Verliebten – wird zur Herausforderung, weil das Urvertrauen fehlt. Schlimmer noch. Mit jedem Tag frisst die Saat des Misstrauens Davids Seele auf.
Der Versucher wäre nicht er selbst, wenn er nicht betrügen würde. Das Grundstück, das David und Diana für das eigene Haus retten wollten, ist weg und zwar beim Versucher. Er lacht einen aus und will einem unbedingt zeigen, dass man gegen ihn nichts ausrichten kann. Gedemütigt geben viele Menschen zu früh auf, lassen sich gehen und akzeptieren manchmal sogar das Leben in Sünde (oder mit der Sünde) als eigene Bestimmung. Darauf spielt der Tanz von Diana und John, die sie zu einem Paar werden lässt.
Reue
Die Erkenntnis, man habe alles verloren, reift im Menschen Wochen, Monate oder Jahre. Langsam beobachtet David an sich selbst, wie ihn Diana geprägt hat. Er stellt seine Schuhe nicht mehr auf den Tisch und empfindet einen Schmerz jedes Mal, wenn er ein Bild von ihr sieht. Er zerreißt die Fotos und klebt sie doch wieder zusammen. Sie ist wie eine Droge für ihn. Das Modell des ersehnten Hauses bringt ihn zurück zu einer bescheidenen Normalität. Aus Wut ist Reue geworden, weil er erkannte: Er trägt Schuld an der Tragödie. Die Nachricht über den Wunsch der Scheidung zwingt ihn zum Handeln. Ähnlich wie im Gleichnis vom Verlorenen Sohn ist die Erkenntnis der eigenen Not und der Blick dorthin, wo man glücklich war, der Wendepunkt. „Ich kehre zum Haus meines Vaters zurück“ – aber nicht triumphalisch mit Anspruch auf etwas, sondern in Demut und Bescheidenheit, ja im Bewusstsein nichts mehr zu haben: „Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein„
Versöhnung
Eine Million Dollar bietet David für ein Nilpferd. Diese eine Million – dieses „Blutgeld“. Er will es nicht haben. Damit zeigt er, dass er auf den Gewinn aus der Sünde verzichtet. Er verzichtet auch auf Diana, die in dem Moment merkt, dass auch sie etwas aufgibt, was für sie eine Quelle des Glücks war. Im Paralleluniversum der christlichen Spiritualität kennen wir Fälle von Heilung durch Versöhnung mit Gott und dem Ehepartner. Dummerweise muss eben einer nur anfangen und zuerst klein beigeben. Dieses Beispiel kann die Seele des anderen zu einer Reinigung führen.
Die Auflösung ist das Einzige, das in der spirituellen Welt so nie passieren würde. Der Teufel ist neidisch auf unser Glück und würde anders als John niemals jemanden freigeben, geschweige denn mit einer Lüge den Ausstieg aus dem Leben in Sünde leicht machen. Im Gegenteil. Er würde mit neuen Deals kommen oder mit Erpressung arbeiten.
Wohin, wenn man sich verrannt hat und das Ziel aus den Augen verloren? Wohin, wenn man nicht mehr weiter weiß oder der Sinn des Lebens einfach weg ist? Dr. Piotr Pawlukiewicz – ein beliebter Prediger und erfahrener Pastoraltheologe – gibt in einer seiner Predigten den Hinweis: Gehe zurück an den Anfang und finde heraus, warum du den Weg gewählt hast. Genau das tun Diana und David. Sie treffen sich dort, wo ihre Ehe angefangen hat. Auch das hat eine spirituelle Bedeutung. Wir Katholiken glauben, dass die Taufe alle Sünden tilgt und sollte es nötig sein, dann bietet das Sakrament der Versöhnung die einzigartige Möglichkeit ganz neu anzufangen – so neu, als wäre noch nie etwas gewesen und das auch zum hundertsten Mal. Die Schuld wird nicht verrechnet oder drüber gepinselt. Sie ist weg als wäre sie nie da gewesen.
Anatomie der Sünde
„Ein unmoralisches Angebot“ ist eine Studie der Sünde mit allen ihren Elementen wie der Versucher, Ärger über sich selbst, die Reue und die Versöhnung und Neuanfang. Es ist Theologie in einem säkularen Gewand. Robert Redford als der ewige Gentleman spielt einen raffinierten und subtilen Versucher. Wenn nicht er, hätte ich diese „Schnulze“ vielleicht nie geguckt. Und das wäre echt schade.