Letzte Woche durfte ich eine recht seltene Erfahrung machen: eine Probefahrt mit einem Kombi vom Fiat. Der Hersteller genießt nicht den besten Ruf und sein Marktanteil in Deutschland ist entsprechend gering. Die Legende von Unzuverlässigkeit muss man jedoch immer wieder hinterfragen. Meine traurige Erfahrung ist, dass man auch bei VW nicht unbedingt von Zuverlässigkeit sprechen sollte. In anderen Worten: mein VW Golf Variant 1.4l TSI (Benziner) erwies sich als „der deutsche Fiat“. Nicht einmal Polen wollten es mir nach 8 Jahren abnehmen. Traurig aber wahr.
Doch genug des Gejammers über enttäuschtes Vertrauen in eine deutsche Marke. Schauen wir mal nach vorne, in Richtung eines passenden aktuellen Ersatzes für den ehemaligen Hoffnungsträger.
Der Tipo ist den älteren Fahrern bereits bekannt. Zweitweise (fast drei Jahrzehnte lang) vom Hersteller eingestellt erlebt er seit einigen Monaten ein gelungenes Revival. Es ist keine übermotorisierte übergroße Kiste mit viel Schnickschnack und unzähligen Add-Ons zur Boardelektronik. Motoren mit 1,4 und 1,6 Liter-Volumen stehen sowohl als Benziner (Otto-) sowie als Diesel-Motoren zur Verfügung. Ich durfte den Fiat Tipo Diesel (1,6L) mit meinen Ansprüchen konfrontieren. Seine Leistung von 120 PS ist der meines Variants ähnlich. Das Fahrverhalten und die Geräuschkulisse minimal anders. An Stelle des „Traktors“ mit Kettenrasseln, welche einen 1-2 km lang begleitet haben, trat das typische Diesel-Knurren, welches im 6 Gang ab 160km/h zum immer lauteren Motor-Sound wird (aber nicht viel lauter ausfällt als bei meinem Golf). Der einzige Unterschied: zum Anfahren muss man mehr Gas geben und das aus zwei Gründen: 1. unter 2000 Umdrehungen/Minute ist der Diesel nun mal nicht so spritzig wie Benziner, 2. beim Golf drehten die Räder auch gerne durch, was dem Fiat Tipo nicht passieren kann wegen der sog. Antischlupfregelung.
Sehr erfreulich sind die Hilfen der Lounge-Variante mit Tech-Paket: Hill-Holder verhindert das Zurückstoßen des Fahrzeugs bei einer schwierigen Anfahrt Berg auf. Bis zu 2 Sekunden hat man Zeit, um das richtige Verhältnis von Kupplung und Gas zu finden. Im einer bergigen Gegend an Kreuzungen ein Segen. Angenehm ist auch die Nutzung der Nebelscheinwerfer als Abbiegelicht. Man fährt abends und nachts entspannter durch Ortschaften. Und wo wir gerade innerorts unterwegs sind: die Servolenkung hat im CITY-Modus eine zusätzliche Verstärkung, damit das Einparken nicht zum Morgen-Sport-Programm wird. Eine Rückfahrkamera und Parksensoren hinten (Teil des Tech Pakets bei Lounge) erleichtern die Aufgabe zusätzlich.
Viel Spaß macht auch das UConnect-System mit DAB-/FM-/MV-Radio, Navi, Telefon, Bluetooth und USB-Medienschnittstelle auf einem abschaltbaren 7 Zoll TFT-Display in der Mittelkonsole. Alles mit dem Lenkrad gut zu bedienen, wobei die Bedienelemente nicht nur sichtbar oben auf dem Lenkrad, sondern auch über unsichtbare Wippen unter ihm gut gesteuert werden kann. Das Navi funkt (wenn gestattet) in die Info-Anzeige, direkt in das Sichtfeld des Fahrers. Licht- und Regensensor automatisieren einige Funktionen, sind für mich aber ohne weitere Bedeutung. Tagfahrlicht, wie es z.B. in Polen verlangt wird, ergibt einen schönen hellen Rahmen um die Scheinwerfer. Das Design ist durchdacht und wirkt etwas sportlicher. Die höhenverstellbaren beheizten Sitze vorne erwecken den Eindruck eines flachen SUV: man sitzt recht hoch.
Praktisch und geräumig ist der Koferraum, der in der Höhe durch einen Einlegeboden geteilt wird. Er ist ein wenig größer als der meines Variant und genauso gut zugänglich. Die Armlehnen vorne und hinten (Lounge-Ausstattung) ist ebenfalls sehr zu empfehlen. Geschwindigkeitsregler ist auf deutschen Autobahnen eh nicht wirklich sinnvoll. Dafür aber die 12 Volt Stomanschlüsse vorne und hinten, womit man auch auf langer Reise (wozu ich dieses Auto überwiegend nutzen würde) die Getränke kühl hält. An Kinder ist ebenfalls gedacht: Abgedunkelte (getönte) Scheiben hinten und Kindersicherung in den Türen (heute eine Selbstverständlichkeit) sowie für die Fenster hinten – für mich die Grundvoraussetzung für ein Familienauto, genauso wie die Klima-Automatik.
Die von mir getestete Variante hatte bis auf die Ledersitze alle Extras drin. Mit dem Fahrzeugkonfigurator zusammen gestellt, liegt man bei über 23.000 €. Eine vorrätige Tageszulassung (auf Lager bei Klos Automobile im saarländischen Urexweiler) keine 21.000€. (Die Preisliste des Tipo findet man hier.) Als Beispiel für eine andere Marke – vergleichbar ausgestattet und vorrätig – nehmen wir Skoda Oktavia: laut mobile.de muss man mindestens 7000€ mehr bezahlen. Es wundert mich nicht, dass der Trend zu Wiederentdeckung des Tipo durch Automobil-Zeitschriften und Autoblogger verstärkt wird. Mit Solgans wie „der ehrlichste Kombi“ oder „äußerst fairer Preis“ geben sie eindeutig eine Kaufempfehlung für den Tipo ab.
Für Eure Erfahrungen und Fragen steht die Kommentarfunktion bereit. Ich würde mich über einen Austausch freuen.